Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
Vom Netzwerk:
Dielen. In der Mitte befand sich ein niedriger Tisch, auf dem einige Teelichter brannten. Der Kachelofen in der Ecke strahlte gemütliche Wärme aus und Toms Pflanzen drum herum sorgten für eine exotische Atmosphäre.
    „Neve, du musst mir alles ganz genau erzählen. Das ganze wahre Märchen. Bis ins Detail. Ich brenne darauf!“ Charlie schaute mich an wie ein aufgeregtes Kind.
    „Okay, aber ich kann dir nicht verraten, wo die Durchgänge sind. Für Menschen ohne magische Begabung sind sie lebensgefährlich, deshalb findest du dort auch keine Beweise.“
    „Ich weiß. Ich weiß das.“
    Ich sah sie verwundert an, aber dann fiel es mir wieder ein. Natürlich hatte ihr Janus schon damals davon erzählt, nur hatte sie ihm kein Wort geglaubt.
    „Ich möchte nichts mehr beweisen. Es ist wie weggeblasen. Ich hätte nie gedacht, dass es so einfach sein würde. Warum habe ich so viele Jahre Physik studiert? Warum war ich so lange nicht Chefin meiner selbst? Da musste erst ein Engel vorbeikommen und mir den Kopf zurechtrücken.“ Charlie fasste sich mit beiden Händen theatralisch an den Kopf.
    „Heißt das, du wirst dich nicht in England bewerben?“
    „Das heißt es.“
    „Und was wirst du stattdessen tun?
    „Ich wollte schon immer singen. Ich werde etwas mit meiner Stimme anfangen. Ich hatte nie den Mut dazu, weil … Du wirst dir denken können, wie die Einstellung meines Vaters zu Künstlern ist.“
    „Fast nicht zu glauben, dass auch Väter, die Künstler sind, genauso bescheuert sein können wie dein Vater“, ergänzte Tom und stellte drei dampfende Tassen auf den Tisch.
    „Deine Stimme ist einmalig“, sagte ich. „Du wirst Erfolg haben.“
    Tom schmiegte sich an Charlie und nahm sie in den Arm.
    „Wenn Neve das sagt, kannst du darauf vertrauen. Sie hat auch meiner verstaubten Kunst auf die Beine geholfen. Sie ist ein Engel, und ich habe es schon immer gewusst. Stimmt’s, Neve? Ich habe es schon immer gesagt.“
    Ich saß den beiden gegenüber und beobachtete, wie sie sich einen ganz zarten Kuss gaben. Es sah so fließend und natürlich aus, wie sich ihre Lippen fanden.
    „Warum bist du eigentlich in dieses Haus gekommen?“, fragte Charlie.
    „Weil ich Toms Musik gehört habe. Es ist nicht zum ersten Mal, dass ich einen Künstler eine Weile begleitet habe. Aber bei Tom war es noch einmal etwas Besonderes.“
    „Etwas Besonderes?“
    „Ich … Es … Toms Musik ist, als wenn sie den magischen Wald beschriebe. Ich wünschte, ihr könntet ihn irgendwann sehen.“
    Von dem Durchgang im Keller durften sie nichts erfahren. Der Rat würde sich etwas einfallen lassen, damit er für die Bewohner unzugänglich war.
    „Ich habe ihn gesehen, im Traum. Sieht er wirklich so aus?“, fragte Tom.
    „Ja, das tut er.“
    Charlie warf mir einen seltsamen Blick zu und dann platzte sie heraus: „Du warst in Tom verliebt, stimmt’s, und ich hab ihn dir …“
    „Oh, nein, nein, so ist es überhaupt nicht!“, widersprach ich und sprang sogar auf, so erschrocken war ich von Charlies Direktheit.
    „Doch, so ist es“, beharrte sie und ich sank zurück auf meine Knie. Ich hatte mich mit meiner Reaktion total verraten und sie wusste es. Ich traute mich nicht, Tom anzusehen, aber spürte seinen Blick auf mir.
    Und dann dachte ich an Janus’ Vorschlag, es ihm einfach zu sagen, und gab es zu: „Na ja, ein bisschen verknallt schon, weil, seine Art zu spielen … ich konnte gar nicht anders, als meine Begeisterung auf ihn als Person zu übertragen.“
    Ich blickte zu Tom auf und versuchte, ihn möglichst locker anzulächeln. „Sag nicht, du hättest es nicht bemerkt!“
    Tom wirkte verlegen. Wurde er sogar ein bisschen rot? „Oh Mann, so ein Geständnis, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich …“
    „Hey“, erlöste ich ihn aus seiner Verlegenheit. „Alles in bester Ordnung. Das war nur eine geistige Anziehung. Und ich bin wirklich glücklich, dass ihr zusammengefunden habt.“
    Charlie und Tom sahen mich schweigend an und schienen zu überlegen, ob sie mir glauben sollten.
    „Außerdem braucht man doch, um richtig verliebt zu sein, ein schlagendes Herz.“
    „Tatsächlich? Dein Herz schlägt nicht?“, fragte Charlie und machte wieder ihre einmaligen großen dunklen Augen.
    „Nun ja, jetzt schon. Aber es war zwischenzeitlich … stillgelegt. Am Anfang war ich noch viel mehr Engel, als du glaubst. Meine Gefühle waren unbenutzt und eingestaubt wie ein neues Fahrrad, das  im Keller vergessen

Weitere Kostenlose Bücher