Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
Vom Netzwerk:
fühlte mich plötzlich ganz seltsam. Auf einmal war ich die Bedürftige und es schien, als würde Kira diejenige sein, die mich beschützte und die richtigen Antworten wusste.
    Ich erzählte ihr nun auch von Grete und, dass ich Kim bitten wollte, sie zu übernehmen.
    „Wie soll Kim denn Grete übernehmen? Du bist doch diejenige, die eine Beziehung zu ihr hergestellt hat.“ Kira zog eine Augenbraue hoch. Sie sprach aus, was ich eigentlich längst wusste. Man konnte keine Freundschaften verkaufen und genauso selten ließen sich „Schützlinge“ auf jemand anders mit Ätherfähigkeiten übertragen. Man versuchte das nur, wenn es wirklich nicht anders ging. Aber ging es denn wirklich nicht anders?
    „Aber ich will nicht wieder abhängig werden von all diesen lästigen menschlichen Bedürfnissen, die einem nur die Zeit rauben!“
    Ich schnappte mir den Besen, der neben der Tür stand – ich brauchte irgendwas, woran ich mich festhalten konnte – und begann ein bisschen zu fegen.
    „Menschliche Bedürfnisse, die einem die Zeit rauben?“ Kira grinste.
    „Na, Schlafen zum Beispiel – acht Stunden am Tag futsch!“
    Kira nahm mir den Besen aus der Hand, weil es sie nervös machte, wie ich um ihre Füße herumfegte.
    „So hab ich das noch gar nicht gesehen. Aber … trotzdem ist Schlafen doch schön, und man hat auch öfter echt tolle Träume!“
    „Mag sein, aber trotzdem. Wenn ich zum Beispiel an körperliche Schmerzen oder Liebeskummer denke! Ich meine, schau dich an, was du die letzte Zeit wegen Tim durchgemacht hast!“
    Kira stützte sich auf den Besen und musterte mich. Immerhin grinste sie jetzt nicht mehr.
    „Aber du kannst es ja doch nicht verhindern, wenn es passiert“, sagte sie. „Man muss die Flucht nach vorne antreten, direkt reingehen in das Übel, dann kommt man auch schneller wieder raus. Kehrt man ihm den Rücken und tut so, als wäre es nicht da, wächst es hinter einem nur zu einer immer größeren Bedrohung heran.“
    Jetzt fing Kira an zu fegen und öffnete die Haustür, um den Schmutz nach draußen zu befördern, während sie fortfuhr: „Klar, die Liebe ist ein Lebenselixier. Sie wirbelt alles in einem herum und vielleicht hat sie die Macht, dich aus den Wolken zu holen. Aber wenn du auf die Nase fällst, ist das doch nur vorübergehend unangenehm. Ich meine, nichts hindert dich daran, danach wieder in die Wolken zurückzukehren. Oder?!“
    Ich zuckte mit den Schultern. Das Bild mit den Wolken gefiel mir.
    „Zumal noch gar nicht klar ist, was genau du für ihn empfindest“, überlegte Kira weiter.
    Ich nickte.
    Sie stellte den Besen wieder in die Ecke, lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Rahmen der Haustür, zog ihre Lippen ein, gab sie wieder frei und sah mich nachdenklich an.
    „Sag mal, wenn du nichts mehr isst, nichts trinkst, nicht schläfst, keine Schmerzen spürst, dann … dann weißt du auch noch gar nicht, wie er riecht?“
    Ich sah sie verdattert an. „Nein?!“
    „Ich glaube, Tims Duft war das Erste, was ich wahrgenommen habe, als ich ihm damals in der Schule begegnet bin. Mir wurde das erst im Nachhinein bewusst, aber wahrscheinlich war es das, was mich sofort auf Empfang gestellt hat.“ Kira machte ein versonnenes Gesicht, als sie sich daran erinnerte.
    „Das ist wahr, der Geruch spielt eine große Rolle dabei, wie gut Menschen sich verstehen“, bestätigte ich.
    „Du weißt, wie sehr ich mich zuerst gegen Tim gewehrt hatte. Aber es hat überhaupt nichts genützt.“
    „Ja, Tomaso, vielleicht riecht er gar nicht gut, und dann ist der ganze Spuk ganz schnell wieder vorbei!“ Ich lachte. Auf einmal kam mir alles gar nicht mehr so dramatisch vor.
    „Ha, das hättest du wohl gern, Neve! Ich denke, du musst es herausfinden.“
    Kira hatte mich jetzt da, wo ich überhaupt nicht hinwollte.
    „Vielleicht …“, antwortete ich vorsichtig und strich mir durch die Haare. „Aber … ich meine, … ich habe hier genug zu tun. Ich muss mich um dich …“
    „… kümmern?“, beendete sie meinen Satz. „Nein, ich denke, dass musst du nicht mehr. Ich komme klar … endlich … Du hast so viel für mich getan.“
    Kiras Worte taten gut und sie sah mich dabei so liebevoll an. Ich wusste, dass es stimmte, was sie sagte. Ab jetzt würde alles anders werden. Kira war über den Berg. Seit sich das mit Tim auch noch geklärt hatte, sowieso. Sie würde bald in ihr eigenes Haus ziehen, und mich nicht mehr brauchen.
    „Aber …“, sagte ich – und kam nicht

Weitere Kostenlose Bücher