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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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Viviana
ins Haar. »Das steht dir gut.«
    Viviana lächelte leise.
    »Ja«, fand auch Micha. »Du siehst
bezaubernd aus. Wie eine richtige Schlossprinzessin.« Sie nahm ihre Hand und drückte
sie liebevoll, als sei sie eine alte Freundin.
    Viviana schien aber mehr auf das
Kompliment des Jungen zu achten. »Danke, Noël. Du bist wirklich nett.«
    Micha nahm die kurze Pause wahr,
um das Mädchen genauer anzuschauen.
    Eigentlich war es mit 18 Jahren
schon eine junge Frau. Ihr ungebändigtes, dunkelbraunes Haar fiel ihr ständig ins
Gesicht. Sie ließ es geschehen, als wolle sie so ihren starren Blick verbergen.
Eigentlich hatte sie schöne große bernsteinfarbene Augen. Doch die bewegten sich
so seltsam, stellte Micha fest. Sie irritierte es, dass Viviana sie beim Sprechen
nie anschaute.
    Das Gesicht war unauffällig und
sorgfältig geschminkt. Micha musste sich unwillkürlich fragen, wie eine Blinde das
so hinbekam. Vielleicht halfen ihr die Freundinnen. Vivianas heller Teint verstärkte
den wilden Eindruck, den ihre vom Wind verwehten Haare machten.
    Die etwas hervorstehenden Wangenknochen
prägten ihr Gesicht und beflügelten es mit einem Anflug von Stolz. Die lange, abwärts
gebogene Nase unterstrich diesen Eindruck. Über ihrem etwas energisch nach vorn
gereckten Kinn thronte ein wahrer Schmollmund. Beim Sprechen strich sie sich mit
der Zunge unaufhörlich und blitzschnell über die Lippen, so wie ein Sehender, der
seine Worte gern mit Blickgesten unterstreicht. Das Auffälligste an ihr aber waren
ihre Hände. Micha bewunderte sie. Schlank, zierlich und mit außergewöhnlich langen
Fingern. Als sie Vivianas Hand drückte, war ihr, als ob sie eine exotische, zerbrechliche
Blume in der Hand hielt.
    Die drei setzten ihren Weg zur Konzertscheune
fort. Noël errötete ein wenig bei dem Lob und wollte das Gesprächsthema wieder auf
eine sachliche Basis zurückführen.
    »Du musst wissen, dass dieser Carl
Maria von Weber hier bei uns in Eutin geboren ist. Und weil Herr Stolberg der Viviana
ein sehr großzügiges Stipendium auf einer Begabtenschule für Blinde ermöglicht hatte,
wollte sie ihm eine Freude machen und schlug vor, ein Stück von dem berühmtesten
Musiker unserer Stadt zu spielen.«
    Micha gefiel der ansonsten recht
schweigsame Junge. »Ja, das klang wundervoll. Ich meine, ich habe die Musik zwar
nur über den Hof gehört, aber ich glaube, der Tote wird das im Himmel gern aufgenommen
haben. – Hast du das alles nur mit diesen Punkten gelernt?«
    »Nein, das war früher so. Inzwischen
mache ich es anders. Vielleicht hast du mal was von Midi-Dateien gehört. Man kann
sie mit der Brailleschrift vergleichen, nur dass es digitalisierte Informationen
über die Musik sind. Ich besorg mir die als Midi-Dateien von anderen Leuten eingespielten
Noten aus dem Internet. Der Computer oder mein Keyboard kann das lesen und über
eine Soundkarte abspielen. Ich höre mir das dann stückweise an und versuche, es
auf der Tastatur nachzuspielen. Der Vorteil ist, dass man diese Daten beliebig langsam
abspielen kann, ohne dass sich die Tonhöhe oder der Anschlag ändert. So lerne ich
ein Stück so lange, bis ich parallel zum Klang der Midi-Datei mit meinen eigenen
Händen mitspielen kann.«
    »Dann musst du ja ein gutes Gehör
haben und ziemlich gut mit dem Computer umgehen können. Ich kann eigentlich nur
googeln oder chatten. Wenn wir in Mathe mal mit Excel arbeiten sollen, verlasse
ich mich lieber auf meine beste Freundin, die Ricki.«
    Dann fiel ihr ein: »Aber was nutzt
dir denn ein Computer, wenn du den Bildschirm nicht sehen kannst. Den kann man doch
nicht mit den Fingern abtasten.«
    »Heutzutage gibt es passende Hilfsmittel
dafür. Die sind zwar sehr teuer, aber Herr Stolberg hat für uns Blinde im Heim einen
speziellen Arbeitsplatz einrichten lassen. Wir haben einen Screenreader, der uns
den Bildschirmtext und sogar auch die Grafiken in Klänge oder zum Abtasten in die
sogenannte Braille-Zeile umsetzt. – Ich google und chatte genauso wie andere auch,
nur dauert es etwas länger.«
    Viviana blieb stehen, als wolle
sie die Wichtigkeit ihrer folgenden Worte unterstreichen.
    »Weißt du, wenn man so ein Handicap
hat wie ich, muss man sich ganz anders im Leben bewegen. Mir bleibt einfach nichts
anderes übrig, als die Möglichkeiten des Computers zu nutzen. Schließlich will ich
ja Pianistin werden.«
    »Das ist ja toll, eine Blinde, die
Pianistin werden will. Da sind dir ja auf Grund deiner Behinderung die Sympathien
der

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