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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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Besetzung auf die Bühne gebracht wurden. Er wollte die Festspiele
vom Image des Folkloretheaters befreien und suchte den Anschluss an das internationale
Opernniveau. Und als der finanzielle Einbruch an die Öffentlichkeit kam, kriegten
die anderen Aufsichtsratsmitglieder, besonders die, die gleichzeitig im Stadtrat
saßen, kalte Füße, weil ihnen ihre Provisionen wegschwammen.«
    Der Oberkriminalrat
seufzte, nahm seine Brille ab und säuberte sie umständlich mit seinem Stofftaschentuch.
Kroll wartete geduldig. Vielleicht ergibt sich hier ein Anhaltspunkt, sinnierte
er.
    Der andere fuhr
in seinen Erklärungen fort. »Schließlich mischte sich auch noch der regionale Wirtschaftsverband
ein, vor allem Vertreter der Tourismusbranche, die mit dem Niedergang der Festspiele
eine Schmälerung ihrer Einnahmen befürchteten. Gastwirte, Hoteliers und allen voran
die Gräfin von Bülow, Besitzerin eines Pferdehofs, auf dem viele der reichen Opernfreunde
zu Gast waren. Die versteht zwar viel von Pferden, aber absolut nichts von modernen
Operninszenierungen. Und es ist kein Geheimnis, dass sich die Bülow und der Stolberg
nicht besonders gut abkonnten.«
    Kroll hatte aufgehorcht, als er
den Namen Bülow vernahm. Sein Gesprächspartner setzte sich die Brille wieder auf.
»Aber das ist doch noch lange kein Grund, Stolbergs Ableben zu beschleunigen. Immerhin
sind das angesehene und grundehrliche Leute. Wir glauben nicht, dass Neid eine Rolle
gespielt haben kann, ebenso wenig wie Eifersucht, – wenn es denn überhaupt Mord
war.«
    Dorndorf nahm das Fax zur Hand.
Dadurch konnte Kroll das darunter liegende aufgeschlagene Notenheft sehen.
    »Sie komponieren?«
    Der Kommissar errötete leicht und
beeilte sich, seine Verlegenheit zu kaschieren.
    »Nein, nichts Besonderes. – Es ist
nur ein unbedeutendes Hobby.«
    Kroll griff sich das Notenheft und
musterte es genauer. »Sieht aber recht professionell aus, – soweit ich davon was
verstehe.«
    »Oh, vielen Dank für das Lob. Ein
bescheidener Kompositionsversuch, – nicht der Rede wert.« Die Schultern des Mannes
richteten sich spürbar auf, als freue er sich insgeheim, dass sich ein Kollege für
sein Hobby interessierte. »Sie müssen wissen, ich liebe die Musik. Sie ist für mich
so ein wunderbares Gegengewicht meiner im Grunde genommen doch recht eintönigen
Arbeit hier im Hause.«
    Das wird sich wohl bald ändern,
dachte Kroll und tat so, als könne er die Noten lesen. »Bescheidener Versuch? –
Sieht so aus, als seien Sie schon recht weit vorangeschritten.«
    »Oh nein, im Gegenteil. Es ist erst
der Anfang. Ich sitze noch an den ersten fünf Takten.« Dorndorf spürte Krolls fragenden
Blick und beeilte sich zu ergänzen: »Ich finde, Musik muss vollkommen sein. Vollkommen
und ausgewogen. Sie muss eine ebenmäßige Form haben. Ich mag die ausschweifende
Fantasie der Romantiker nicht.« Das Thema machte ihn sichtlich verlegen. Geschickt
versuchte er, zum Anlass des heutigen Treffens zurückzukommen. »Mit romantischen
Exzentrikern haben wir es in unserem Beruf doch zur Genüge zu tun, nicht wahr?«
    Der Mann erinnerte Kroll an eine
Figur in Camus’ ›Die Pest‹, an den Rathausangestellten Joseph Grand, der sein Leben
damit verbringt, an dem ersten Satz eines Romans zu feilen, den er nie zu Ende bringen
wird. Und es eigentlich auch gar nicht will. Diese Tätigkeit, die jeder vernünftige
Mensch als sinnlos bezeichnen würde, war sein individuelles Lebenselixier. Sein
einziger Weg, sich in seiner abgeschlossenen Welt vor den kollektivistischen Katastrophen
unserer Zeit zu schützen.
    Dorndorf kam auf den Zettel zurück,
den er immer noch in der Hand hielt. »Hier, das Fax von Stolbergs Bank. Es ist heute
Vormittag angekommen. Habgier können wir demnach ebenfalls ausschließen. Es gab
keine Unregelmäßigkeiten bei seinen finanziellen Transaktionen. Und in seinem Hause
wurde nichts entwendet. Es fällt mir schwer, ein Motiv für eine Gewalttat zu finden.«
    »Ich bin mir selbst auch nicht ganz
sicher. Aber dennoch gab es für mein Gefühl zu viele Ungereimtheiten dort in den
Bergen von Mallorca. Sie wissen ja, ich war unmittelbar nach dem Vorfall vor Ort.
Auch unser spanischer Kollege hatte Bedenken, so einfach von einem Unglücksfall
auszugehen. – Ich möchte da gern noch ein wenig am Ball bleiben und mich nicht voreilig
auf eine Theorie festlegen. – Berichten Sie mir doch bitte noch, was Sie über den
Herzog erfahren haben.«
    »Nun, zunächst
möchte ich Sie korrigieren.

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