Schattenmenagerie
Adelstitel wie Herzog schaffte man in Deutschland als
Folge der Zerschlagung der Monarchie bereits 1920 ab. Viele Adelige erhielten allerdings
das Recht, den Begriff Herzog als Bestandteil des Nachnamens zu führen. Herzog von
Altenburg ist also genauso ein Name wie Kroll oder Dorndorf. – Also unser Friedrich
Georg Herzog von Altenburg, wie er korrekt heißt, lebt mit seiner Familie, das sind
seine Frau Cäcilie, geborene von Zingst, und sein Sohn Peter Anton, auf einem etwa
20 km entfernten Gut.«
Das mit dem Herzogtitel hätte mir
Hopfinger eigentlich sagen können, dachte sich Kroll. Jetzt muss ich ausgerechnet
von einem Untergebenen belehrt werden.
Gott sei Dank ahnte Dorndorf nichts
von Krolls Skrupeln. »Er kommt nur gelegentlich hier im Schloss vorbei. Dann hockt
er meistens in seinem privaten Arbeitszimmer unterm Dach, wo auch das Schlossarchiv
untergebracht ist. Oder er bespricht sich mit Stolberg und dem Schlossverwalter,
einem gewissen Diabelli.«
»Richtig, über den wollte ich Sie
auch ausfragen. Ich habe ihn vorhin zufällig im Schloss kennengelernt. – Ein mürrischer
und unsympathischer Zeitgenosse. Ist Ihnen irgendetwas über ihn bekannt?«
»Polizeilich ist er noch nicht aufgefallen,
das wüsste ich. Ich kenne ihn persönlich überhaupt nicht. Da müsste ich erst mal
recherchieren.«
»Ja, tun Sie das, und geben Sie
mir bitte Bescheid. – Und dann ist mir vorhin noch ein Name aufgestoßen: Romanowsky.
– Was wissen Sie über den?«
»Nur so viel, dass er der Pächter
auf der Fasaneninsel ist. Er gehört zum Stiftungsrat. Auch er ist polizeilich unbescholten.«
»Das klingt nach einem russischen
Namen. Wissen Sie etwas über seine Herkunft?«
»Nein. Da müsste ich im Einwohnermeldeamt
nachfragen. Es wird nicht einfach sein, an ihn direkt heranzukommen. Er lebt ziemlich
isoliert auf seiner Insel. Die darf und kann man nicht ohne Weiteres betreten.«
»Fertigen Sie mir bitte auch über
diesen Herren einen Bericht an, soweit Sie auf legalem Wege an Informationen herankommen
können. – Schließlich wäre da noch die Frau von Bülow, die Sie vorhin ja bereits
erwähnten, an die der Tote eine Postkarte gerichtet hatte mit einem Hinweis auf
ein gemeinsames Projekt. Was ist mit der, und wissen Sie etwas über das besagte
Projekt?«
»Die Familie des Herzogs von Altenburg
ist gut befreundet mit ihr. Gräfin Barbara von Bülow, Besitzerin von Gut und Pferdehof
Uklei, nahe dem gleichnamigen See etwa fünf Kilometer nördlich von Eutin. Wohlhabend.
Polizeilich ebenfalls ein unbeschriebenes Blatt. Von einem Projekt weiß ich nichts.
Aber ich kann mir vorstellen, dass das mit den Festwochen zu tun hat. Wahrscheinlich
irgendetwas, was deren Zukunft sichern sollte.«
Lauter leere Blätter, ging es Kroll
durch den Kopf. Wär ja noch schöner, wenn die Leute ihre Seele auf Polizeiakten
niederschrieben. Das würde die Arbeit der Polizei mächtig vereinfachen.
Er trank den Rest Kaffee aus und
steckte sich das letzte Stück Gebäck in den Mund.
»Gut, das wär’s für heute. Bitte
recherchieren Sie in Bezug auf die beiden Männer und schicken Sie mir bitte den
Bericht nach Lübeck.«
Kaum war der Lübecker verschwunden,
setzte sich Dorndorf wieder ans Klavier.
»Hm, ich probier’s mal mit einem
neapolitanischen Sextakkord.«
Dabei handelte er sich offenkundige
Quintparallelen ein. »Es ist wie verhext! Sollte Wagners Ansatz im Endeffekt doch
die beste Lösung sein?«
Kapitel 7: Viviana
Etwas abseits im östlichen Teil des Schlossgartens stand lange Zeit
eine halb verfallene, auf den ersten Blick schnell zu übersehende Scheune. Das,
was viele Kurzbesucher für einen einfachen Wirtschaftshof hielten, war in der Zeit
des Barock eine Orangerie, die im Zuge der Neugestaltung des Gartens zeitweise als
Komödienhaus umfunktioniert wurde. Sie bildete damals ein Zentrum des Eutiner Musiklebens,
in dem auch der Vater von Carl Maria von Weber als Kapellmeister wirkte. Später,
als das Interesse der Herzöge an musikalischer Belustigung abflaute, ließen sie
sie wieder in eine Orangerie zurückbauen. Bis vor kurzem fristete sie ein kümmerliches
Dasein, wurde aber jüngst liebevoll restauriert. Zwischenzeitlich hatten die Eutiner
Festwochen im Freilufttheater großen Erfolg. So musste seiner Zeit eine andere,
direkt neben der historischen Orangerie erbaute Scheune als Probenraum und Konzertsaal
herhalten.
Sie war das Ziel der drei jungen
Leute. Viviana nestelte einen Schlüssel aus der Tasche. Die
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