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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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hatte.
    Romanovich, der offenbar merkte, dass ich etwas Erschreckendes gefunden hatte, tat einen Schritt ins Zimmer.
    Warnend hob ich die Hand, um ihn aufzuhalten, hielt dann jedoch die Zeichnung in die Höhe, damit er sie betrachten konnte.
    Als ich anschließend umblätterte, fand ich eine weitere Darstellung der Kreatur am selben Fenster vor. Diesmal bildeten die Knochen ein anderes Muster.
    Entweder hatte das Ding so lange am Fenster geklebt, dass Jacob es entsprechend lange im Blick gehabt hatte – was ich bezweifelte – , oder er besaß ein fotografisches Gedächtnis.
    Die dritte Zeichnung stellte eine Gestalt in einer Mönchskutte dar. Um den Hals trug sie eine Kette aus Zähnen und Knochen. Es war der Tod, wie ich ihn auf dem Glockenturm gesehen hatte, ohne Gesicht und mit bleichen Händen.
    Als ich das Bild gerade Romanovich zeigen wollte, kamen drei Bodachs hereingeschlichen, und ich klappte eilig den Zeichenblock zu.

43
    Die drei finsteren Schatten versammelten sich um Jacob. An mir schienen sie nicht interessiert, zumindest taten sie so.
    Ihre Hände waren fingerlos und ebenso detailarm wie ihre Gesichter und Gestalten. Irgendwie erinnerten sie eher an Pfoten oder die mit Schwimmhäuten versehenen Extremitäten von Lurchen als an Hände.
    Während Jacob weiterarbeitete, ohne seine gespenstischen Besucher wahrzunehmen, sah es so aus, als würden sie ihm die Wangen streicheln. Bebend vor Erregung, strichen sie ihm an seinem dicken Nacken entlang und massierten ihm die schweren Schultern.
    Offenbar erleben Bodachs diese Welt mit mehreren, vielleicht sogar allen der fünf Sinne, wie wir sie kennen. Vielleicht besitzen sie außerdem noch einen eigenen sechsten Sinn. Auf die Dinge hier haben sie jedoch keinerlei Wirkung. Selbst wenn hundert von ihnen als Rudel vorbeisausen würden, entstünden weder ein Geräusch noch der feinste Luftzug.
    Was sie faszinierte, war etwas, das Jacob ausstrahlte, mir jedoch verborgen blieb. Vielleicht war es seine Lebenskraft, die ihm bald entrissen werden sollte, und das wussten sie. Wenn das gewaltsame Ereignis, das sie angezogen hatte, endlich eintrat, würden sie vor Ekstase zittern, zucken und sich winden.
    Aufgrund meiner Erfahrungen habe ich Grund zu der Vermutung,
dass sie womöglich gar keine Geister sind. Es könnte sich, denke ich manchmal, um Zeitreisende handeln, die nicht mit ihrem eigentlichen, sondern mit einem virtuellen Körper in die Vergangenheit zurückkehren.
    Sollte unsere derzeit so barbarische Welt in einer noch größeren Brutalität versinken, werden unsere Nachkommen vielleicht so grausam und pervers sein, dass sie durch die Zeit reisen, um uns zuzuschauen, wie wir leiden, und um verzückt die Gewalttaten zu genießen, aus denen sich ihre kranke Zivilisation entwickelt hat.
    Eigentlich sind es ohnehin nur wenige kleine Schritte dorthin, wenn man sieht, was dem Publikum heute in den Fernsehnachrichten geboten wird: Katastrophenberichterstattung im Breitwandformat, blutige Mordgeschichten und erbarmungslose Panikmache.
    Unsere Nachkommen würden natürlich genauso aussehen wie wir und daher nicht auffallen, wenn sie in ihrem eigentlichen Körper hierherreisen würden. Wenn es sich bei den gespenstischen Gestalten der Bodachs tatsächlich um ihre virtuellen Körper handelte, so drückte sich damit womöglich der verbogene, kranke Zustand ihrer Seelen aus.
    Nun huschte einer der drei schwarzen Schatten auf allen vieren durchs Zimmer und sprang aufs Bett, wo er an den Laken zu schnuppern schien.
    Wie von einem Luftzug angezogener Rauch schlängelte ein anderer Bodach sich durch den Spalt unter der Badezimmertür hindurch. Was er dahinter tat, wusste ich nicht, aber aufs Töpfchen gehen musste er wohl kaum.
    Bodachs können nicht durch Wände und geschlossene Türen gehen wie die Geister der Toten. Sie müssen einen Spalt, einen Riss oder ein offenes Schlüsselloch benutzen.
    Obwohl sie keine Masse besitzen und daher nicht der Schwerkraft
unterworfen sein sollten, fliegen Bodachs nicht. Auf Treppen springen sie drei bis vier Stufen auf einmal hinauf oder herab, aber sie gleiten nie durch die Luft, wie es Gespenster in Kinofilmen tun. Auch wenn sie flink wie Panther als hektisches Rudel dahinlaufen, bleiben sie stets am Boden.
    Das heißt, sie sind offenbar an manche – wenn auch nicht an alle – Gesetze unserer Welt gebunden.
    Von der Türschwelle aus fragte Romanovich: »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
    Ich schüttelte den Kopf und legte

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