Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
zwei rechts, und verstärkten sie mit Stahlmanschetten. In diese schoben sie gut einen Zentimeter dicke Bolzen.
    Die Bolzen ragten drei Zentimeter weit aus den Löchern heraus, sodass die Tür sich nicht öffnen konnte. Dadurch wurde nicht nur der Rahmen verstärkt, sondern auch die gesamte Wand, in der die jeweilige Tür eingesetzt war.
    Weil die Manschetten kein Gewinde hatten und die Bolzen auch nicht fest umschlossen, konnten diese in Sekundenschnelle herausgezogen werden, falls man das Treppenhaus hastig verlassen musste.
    Im ersten Geschoss, wo sich die Zimmer der Kinder befanden,
ging es darum, die Türen so zu sichern, dass ein Eindringling, der ins Treppenhaus gelangt war, sie nicht aufziehen konnte. Die Brüder waren gerade damit beschäftigt, die Vor- und Nachteile drei verschiedener Optionen zu diskutieren.
    Gemeinsam mit Romanovich holte ich Bruder Knoche aus dem südöstlichen und Bruder Maxwell aus dem nordwestlichen Treppenhaus. Die beiden sollten Jacob Calvino verteidigen. Sie brachten gleich je zwei Baseballschläger mit, falls der erste im Kampf zerbrechen sollte.
    Wenn der Mr. Hyde in Bruder John Heineman eine Antipathie gegen alle geistig und körperlich behinderten Menschen hatte, war kein Kind im Internat außer Gefahr. Dann konnten alle zur Vernichtung vorgesehen sein.
    Dennoch sagte uns der gesunde Menschenverstand, dass Jacob das primäre Ziel darstellte. Schließlich hatte Heineman einmal gesagt: Lasst ihn sterben. Deshalb war Jacob wahrscheinlich entweder als einziges Opfer vorgesehen oder als erstes von vielen.
    Als wir in sein Zimmer zurückkehrten, war er ausnahmsweise nicht mit Zeichnen beschäftigt. Er saß auf einem Stuhl, hatte den Kopf gesenkt und sich ein Kissen auf den Schoß gelegt, um seine Hand darauf ausruhen zu können. Mit pfirsichfarbenem Faden stickte er Blumen auf ein weißes Stück Stoff, vielleicht ein Taschentuch.
    Zuerst dachte ich, so etwas würde gar nicht zu ihm passen, doch seine Kunstfertigkeit war außerordentlich. Während ich zusah, mit welchem Geschick er mit Nadel und Faden komplizierte Muster schuf, wurde mir klar, dass dies nicht mehr – aber auch nicht weniger – bemerkenswert war als seine Fähigkeit, mit seinen kurzen, breiten Händen und seinen dicken Fingern so präzise zeichnen zu können.
    Ohne ihn bei seiner Arbeit zu stören, trat ich mit Romanovich, Knoche und Bruder Maxwell ans einzige Fenster.

    Bruder Maxwell hatte an der Universität von Missouri Journalistik studiert. Anschließend war er nach Los Angeles gegangen, um dort sieben Jahre lang als Kriminalreporter zu arbeiten.
    Die Zahl schwerer Verbrechen war in L.A. größer gewesen als die Zahl der dafür abgestellten Reporter. Jede Woche begingen Scharen emsiger Schurken und begeisterter Irrer schreckliche Untaten und mussten zu ihrem Ärger feststellen, dass man ihnen in der Zeitung nicht einmal fünf Zeilen gewidmet hatte.
    Eines Morgens befand sich Maxwell in der Zwangslage, zwischen folgenden Themen wählen zu müssen: einem bizarren Sexualmord, einem besonders gewaltsamen, mit einer Axt, einer Spitzhacke und einer Schaufel begangenen Mord, einem Mord samt Kannibalismus und einem Überfall auf vier alte Frauen in einem Pflegeheim.
    Zu seiner eigenen Überraschung und zu der seiner Kollegen verbarrikadierte Maxwell sich im Pausenraum und weigerte sich, diesen wieder zu verlassen. Er war umgeben von Automaten mit Schokoriegeln, Käsekräckern und ähnlichen Leckereien, weshalb er glaubte, mindestens einen Monat überleben zu können, bevor er wegen schweren Vitamin-C-Mangels an Skorbut erkrankte.
    Als der Chefredakteur kam, um mit ihm durch die verbarrikadierte Tür hindurch zu verhandeln, forderte Maxwell, man solle ihm über eine an die Hauswand gestellte Leiter entweder wöchentlich frischen Orangensaft liefern – oder ihn feuern. Nachdem sein Vorgesetzter über diese beiden Optionen exakt so lange nachgedacht hatte, wie es der Personalchef für nötig hielt, um einen Prozess wegen unrechtmäßiger Kündigung zu vermeiden, wurde Maxwell gefeuert.
    Triumphierend verließ Maxwell den Pausenraum, um erst später, als er zu Hause war, mit einem plötzlichen Lachanfall zu erkennen, dass er einfach hätte kündigen können. Der Journalismus
war ihm weniger wie ein Beruf denn wie ein Kerker vorgekommen.
    Als der Lachanfall vorüber war, kam er zu dem Schluss, dass sein kleiner Ausflug in den Wahnsinn ein Fingerzeig Gottes gewesen war, Los Angeles zu verlassen und einen Ort zu finden, wo

Weitere Kostenlose Bücher