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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Hirn weich zu klopfen? Na?«
    Er antwortete nicht, er grinste nur. Ich mag die alten Marx-Brothers-Filme, und Boo ist in mehrfacher Hinsicht der Harpo Marx unter den Hunden.
    Meine Zahnbürste schien fünf Pfund zu wiegen. Aber selbst wenn ich erschöpft bin, denke ich daran, mir sorgsam die Zähne zu putzen.

    Es ist schon einige Jahre her, da habe ich an einer Autopsie teilgenommen. Dabei sprach der Pathologe in sein Diktiergerät, der Verstorbene zeichne sich durch schlechte Zahnhygiene aus. Daraufhin genierte ich mich wegen des Toten, der ein Freund von mir gewesen war.
    Ich hoffe, dass niemand, der irgendwann einmal an meiner Autopsie teilnimmt, einen Grund haben wird, sich wegen mir zu genieren.
    Vielleicht meint ihr, so etwas sei eine besonders törichte Art Stolz. Da habt ihr wahrscheinlich recht.
    Die Menschheit ist ein Umzug von Narren, und ich marschiere an der Spitze, einen Tambourstab in der Hand.
    Egal. Indem ich mir in Erwartung eines vorzeitigen Ablebens immer anständig die Zähne putze, nehme ich Rücksicht auf die Gefühle mir bekannter Personen, die eventuell an meiner Autopsie teilnehmen werden. Sich eines Freundes wegen zu genieren scheint mir zwar bei Weitem nicht so schlimm, wie einen eigenen Fehler unter die Nase gerieben zu bekommen, aber unangenehm ist es doch.
    Ans Fußteil geschmiegt, lag Boo auf dem Bett, als ich aus dem Badezimmer kam.
    »Kein Streicheln und kein Ohrenkraulen mehr«, sagte ich. »Bin völlig erledigt.«
    Sein Gähnen war kein Hinweis darauf, dass er müde gewesen wäre; er war der Gesellschaft wegen da, nicht zum Schlafen.
    Da ich nicht mehr genügend Energie hatte, um meinen Schlafanzug anzuziehen, sank ich in meinen Boxershorts aufs Bett. Bei einer Autopsie wird man bekanntlich sowieso nackt ausgezogen.
    Als ich schon die Decke bis zum Kinn gezogen hatte, merkte ich, dass ich vergessen hatte, im Badezimmer das Licht auszumachen.
    Trotz der vier Milliarden Dollar schweren Stiftung von John
Heineman lebten die Mönche der Abtei bescheiden, schon aus Achtung vor ihrem Armutsgelübde. Das heißt, sie vergeudeten keine Energie.
    Das Licht schien weit weg zu sein. Mit jeder Sekunde rückte es noch weiter weg, und die Bettdecke wurde schwer wie Stein. Zum Teufel damit. Ich war noch kein Mönch, ja nicht einmal Novize.
    Ein Grillkoch war ich allerdings ebenfalls nicht mehr, außer wenn ich sonntags Pfannkuchen backte. Ich war kein Reifenverkäufer und auch sonst nichts Besonders. Wir Typen, die auch sonst nichts Besonderes sind, machen uns eigentlich keine großen Gedanken über die Kosten, die entstehen, wenn man unnötig das Licht anlässt.
    Dennoch machte ich mir Gedanken, schlief aber trotzdem ein.
    Ich träumte, allerdings nicht von explodierenden Heizkesseln. Auch nicht von in Flammen stehenden Nonnen, die schreiend durch die verschneite Nacht rannten.
    Im Traum schlief ich zuerst, wachte dann jedoch auf und sah einen Bodach am Fuß meines Betts stehen. Im Gegensatz zu seinen Artgenossen, die ich im Wachzustand sehe, hatte dieser Bodach wilde Augen, die in dem Licht, das aus der halb offenen Badezimmertür fiel, glitzerten.
    Wie immer tat ich so, als würde ich das Biest nicht sehen. Ich beobachtete es mit halb geschlossenen Augen.
    Als es sich bewegte, verwandelte es sich, wie Traumgestalten es oft tun, bis es kein Bodach mehr war. Am Fuß meines Bettes stand nun der finstere Russe Rodion Romanovich, der einzige weitere Besucher, der momentan im Gästehaus wohnte.
    Auch Boo war in dem Traum anwesend. Er stand am Bett, zeigte dem Eindringling die gebleckten Zähne und bellte, knurrte jedoch nicht.
    Romanovich ging um das Bett herum zum Nachttisch.

    Boo sprang vom Bett zur Wand, als hätte er da eine Katze gesehen, und blieb dort im Widerspruch zur Schwerkraft in der Vertikalen haften. Drohend starrte er den Russen an.
    Interessant.
    Romanovich nahm den Bilderrahmen, der neben dem Wecker auf dem Nachttisch stand, in die Hand.
    Dieser Rahmen schützt eine kleine Karte, die vom Rummelplatz stammt, genauer gesagt aus einem Wahrsageautomaten, in dem die Figur einer Zigeunermumie hockt. Auf der Karte steht: ES IST EUCH BESTIMMT, FÜR IMMER ZUSAMMEN ZU SEIN.
    In meinem ersten Manuskript habe ich die merkwürdige Geschichte dieses Objekts, das mir heilig ist, bereits erzählt. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass Stormy Llewellyn und ich die Karte schon für die erste Münze, die wir in den Automaten einwarfen, bekommen haben – und das, nachdem ein anderer Kerl und seine

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