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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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gerahmte Hof war viermal größer als der des Gästehauses.

    Hier, mitten auf dem Hof und unter freiem Himmel, hatten sich die sechsundvierzig Brüder und fünf Novizen in vollem Habit eingefunden. Ihnen gegenüber stand Abt Bernard auf einem Podest und zog mit einer Hand rhythmisch am Glockenstrang.
    Die Matutin war bereits vorbei, und kurz vor dem Ende der Laudes waren alle aus der Kirche gekommen, um das letzte Gebet zu sprechen und der Ansprache des Abts zu lauschen.
    Das Gebet war der Angelus, der wunderschön klingt, wenn er vielstimmig auf Latein gesprochen wird.
    Während ich in den Kreuzgang trat, rezitierten die Brüder gerade die Erwiderung: »Fiat mihi secundum verbum tuum.« Anschließend sagte der Abt gemeinsam mit allen: »Ave Maria.«
    Im Schutz des Gangs warteten zwei Mitarbeiter des Sheriffs, während die Brüder auf dem Hof ihr Gebet beendeten. Die Cops waren breitschultrige Männer und wirkten deutlich ernster als die Mönche.
    Sie starrten mich an. Ich war eindeutig kein Cop, und ein Mönch war ich aber offenbar auch nicht. Mein unklarer Status machte mich interessant.
    Die Blicke der beiden waren so scharf, dass ich mich nicht gewundert hätte, wenn ihre Augen in der eisigen Luft ebenso zu dampfen begonnen hätten wie ihr Atem.
    Da ich viel Erfahrung mit der Polizei hatte, verzichtete ich tunlichst darauf, den beiden vorzuschlagen, ihren Argwohn am besten auf den finsteren Russen zu richten, der sich momentan irgendwo anders verkrochen hatte. Hätte ich das getan, so hätte sich das Interesse an mir nur intensiviert.
    Obwohl ich es kaum erwarten konnte zu erfahren, weshalb man die Polizei gerufen hatte, widersetzte ich mich dem Drang, die beiden zu fragen. Andernfalls hätten sie mein Unwissen wahrscheinlich als vorgebliches Unwissen interpretiert und mich mit noch größerem Argwohn betrachtet als bisher.

    Sobald ein Polizist ein auch nur beiläufiges Interesse an dir hat, das sich um kriminelle Dinge dreht, kannst du rein gar nichts tun, um dich von seiner Liste möglicher Verdächtiger zu streichen. Nur Ereignisse, die du nicht in der Hand hast, können dich von deiner vermeintlichen Schuld befreien – zum Beispiel, wenn du von dem wahren Übeltäter erstochen, erschossen oder erwürgt wirst.
    »Ut digni efficiamur promissionibus Christi«, rezitierten die Brüder, und der Abt erwiderte: »Oremus.« Das heißt: »Lasset uns beten.«
    Kaum eine halbe Minute später war der Angelus zu Ende.
    Normalerweise besteht die Ansprache des Abtes nach dem Angelus aus einem kurzen Kommentar über einen geistlichen Text und dessen Anwendung aufs mönchische Leben. Anschließend legt der Abt einen kleinen Stepptanz aufs Podest und singt dabei »Tea for Two«.
    Na schön, die Sache mit dem Stepptanz und »Tea for Two« habe ich erfunden. Allerdings ähnelt Abt Bernard tatsächlich Fred Astaire, weshalb es mir bei solchen Gelegenheiten nie gelungen ist, dieses pietätlose Bild aus dem Kopf zu bekommen.
    Statt seiner üblichen Ansprache verkündete der Abt an diesem Tag, wer gebraucht würde, um den Polizisten bei einer gründlichen Durchsuchung der Gebäude zu assistieren, sei von der Verpflichtung zum Besuch der Morgenmesse entbunden.
    Inzwischen war es zwei Minuten vor halb sieben. Die Messe begann um sieben.
    Wer für die Durchführung der Messe unerlässlich war, sollte daran teilnehmen und sich anschließend bereithalten, um Fragen zu beantworten und den Cops, falls nötig, zur Hand zu gehen.
    Die Messe dauerte bis etwa zehn vor acht. Das Frühstück, das schweigend eingenommen wurde, begann anschließend zur vollen Stunde.

    Wer von der Polizei gebraucht wurde, war ferner auch von der Terz freigestellt, dem dritten von sieben Stundengebeten, die täglich gesprochen wurden. Die Terz begann um zwanzig vor neun und dauerte etwa fünfzehn Minuten; das vierte Chorgebet, die Sext, würde um halb zwölf vor dem Mittagessen stattfinden.
    Wenn Laien hören, dass das Leben eines Mönchs derart reglementiert ist und Tag für Tag demselben Ablauf folgt, dann schneiden sie meist eine Grimasse. Sie meinen, ein solches Leben müsse langweilig, ja öde sein.
    Während meiner Monate unter den Brüdern hatte ich erfahren, dass das Gegenteil der Fall war. Diese Männer zogen aus ihren Gebeten und ihrer Meditation ständig neue Energie. In der gemeinsamen Freizeit, die sie zwischen dem Abendessen und dem Komplet – dem Nachtgebet – im Aufenthaltsraum verbrachten, waren sie ein lebhafter Haufen, einfallsreich und

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