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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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gibt.«
    »Das heißt, Sie haben gelogen, Sir«, sagte ich, um ihn ein wenig auf die Schippe zu nehmen.
    »Wenn ich mal später neben Al Capone in der Hölle schmore, ist daran nicht so ’ne kleine Lüge schuld, sondern die schiefe Bahn, auf der ich früher entlangmarschiert bin.«
    Seine so brutal aussehende Hand schlug das Kreuz mit einer schmerzlichen Intensität, die eine erstaunliche Anmut an sich hatte.
    Die Brüder standen jeden Tag um fünf Uhr auf, um sich zu waschen, anzuziehen und pünktlich um zwanzig vor sechs im Hof des großen Kreuzgangs aufzustellen. Anschließend gingen sie gemeinsam in die Kirche, um die Matutin und die Laudes zu beten. Deshalb lagen sie um zwei Uhr morgens brav in ihren Betten, statt zu lesen oder Gameboy zu spielen.
    »Waren Sie auch im anderen Flügel, um nach den Novizen zu schauen?«, fragte ich.
    »Nein. Du hast ja gesagt, der auf dem Boden liegende Bruder hat ’ne schwarze Kutte getragen.«
    In manchen Orden war das Habit der Novizen ähnlich wie das derjenigen Brüder, die ihre ewigen Gelübde abgelegt hatten, aber in diesem Kloster trugen die Novizen graue Kutten, nicht schwarze.
    »Tja«, sagte Knoche, »jedenfalls hab ich daraufhin gedacht, entweder ist der bewusstlose Bursche auf dem Hof zu sich gekommen, aufgestanden und wieder ins Bett gegangen – oder es war der Abt.«

    »Haben Sie bei dem etwa auch ins Zimmer geschaut?«
    »Junge, den dämlichen Trick mit dem Rauch in der Luft hätte ich bei dem Abt gar nicht erst probiert, der ist nämlich dreimal so clever wie ich. Außerdem hast du gesagt, der Kerl auf dem Hof wäre schwer gewesen, oder? Soweit ich mich erinnere jedenfalls. Den Abt muss man ja schon festbinden, wenn ein leichtes Lüftchen weht.«
    »Fred Astaire …«
    Knoche zuckte zusammen. Dann kniff er sich in den fleischigen Rücken seiner Knollennase. »Es wär mir lieber, wenn du mir das mit dem Stepptanz nie erzählt hättest. Jetzt stehe ich morgens immer da und warte darauf, dass er damit anfängt. «
    »Wann haben Sie denn gemerkt, dass Bruder Timothy verschwunden ist?«
    »Schon bei der Matutin hab ich gesehen, dass er nicht an seinem Platz steht. Als er bei den Laudes immer noch nicht aufgetaucht war, hab ich mich aus der Kirche geschlichen, um in sein Zimmer zu schauen. Da waren bloß Kissen.«
    »Kissen?«
    »Das, was wie Bruder Timothy unter der Bettdecke ausgesehen hat, als ich nachts mit meiner Taschenlampe von der Tür aus ins Zimmer geleuchtet hab, das war bloß ein Haufen zusätzliche Kissen.«
    »Wieso hat er das wohl getan? Es gibt doch keine Regel, wann man das Licht ausmachen muss. Und ob man im Bett liegt, wird auch nicht überprüft.«
    »Vielleicht hat er’s ja nicht selber gemacht, sondern jemand anders hat die Kissen arrangiert, um Zeit zu gewinnen, damit wir nicht merken, dass Tim fort ist.«
    »Um Zeit zu gewinnen? Wofür?«
    »Keine Ahnung. Aber wenn ich heute Nacht gesehen hätte,
dass er fort ist, dann wäre klar gewesen, wer da auf dem Hof gelegen hat, und ich hätte den Abt aufgeweckt.«
    »Er ist relativ schwer, das stimmt«, sagte ich.
    »Klar, wegen seinem KitKat-Ranzen. Wenn ein Bruder gefehlt hätte, als ich nachgeschaut hab, wären die Cops schon vor Stunden hier gewesen, noch bevor es so viel geschneit hat.«
    »Und jetzt ist die Suche schwerer geworden«, sagte ich. »Er … ist tot, nicht wahr?«
    Knoche blickte in den offenen Kamin, in dem kein Feuer brannte. »Meine professionelle Meinung lautet: tja, glaub’ schon.«
    Ich hatte genug vom Tod. Vor ihm war ich an diesen abgelegenen Ort geflohen, aber indem ich vor ihm davongerannt war, war ich ihm natürlich nur in die Arme gelaufen.
    Dem Leben kann man sich entziehen, dem Tod nicht.

11
    Die matte Dämmerung wurde zu einem tobenden Morgen, an dem der plötzlich aufbrüllende Wind die Fensterscheiben des Aufenthaltraums mit Eiskörnern bombardierte. Das Schneegestöber schwoll zu einem echten Blizzard an.
    »Ich hab Bruder Timothy sehr gern gemocht«, sagte ich.
    »Er war ein lieber Kerl«, stimmte Knoche mir zu. »Erstaunlich, wie der immer rot geworden ist.«
    Ich erinnerte mich nur zu gut an dieses äußerliche Leuchten, an dem sich die innere Unschuld des verschwundenen Bruders gezeigt hatte. »Also, noch mal in aller Kürze: Da hat jemand Kissen unter Timothys Decke gesteckt, damit man ihn nicht vermisst, bis der Schnee alles zugedeckt hat. Dadurch hat der Mörder Zeit gewonnen, um das zu tun, was er eigentlich vorhatte.«
    »Und wer ist der Mörder?«,

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