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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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tatsächlich ein merkwürdiger junger Mann, Mr. Thomas.«
    »Das liegt nicht in meiner Absicht, Sir.«
    »Und drollig.«
    »Aber nicht grotesk«, sagte ich hoffnungsvoll.
    »Nein, grotesk nicht. Aber drollig.«
    Er drehte sich um und ging mit seinem Buch davon, das vielleicht wirklich von Giften und berühmten Giftmördern handelte. Vielleicht aber auch nicht.
    Am anderen Ende des Regals erschien Elvis, noch immer als Flamencotänzer gekleidet, und ging Romanovich entgegen. Dabei ließ er die Schultern hängen und äffte den schweren, trollähnlichen
Gang des Russen nach, den er finster anblickte, als er an ihm vorbeikam.
    Als Rodion Romanovich das Ende des Regals erreicht hatte, blieb er stehen, sah zu mir herüber und sagte: »Ich beurteile Sie nicht nach Ihrem Namen, Odd Thomas, und Sie sollten mich nicht nach meinem beurteilen.«
    Damit ging er davon, und ich überlegte, was er wohl gemeint hatte. Schließlich war er nicht nach dem Massenmörder Josef Stalin benannt worden.
    Inzwischen stand Elvis vor mir. Er hatte das Gesicht geschickt zu einer komischen Imitation des Russen verzogen.
    Während ich die Show beobachtete, die der King für mich abzog, wurde mir klar, wie seltsam es war, dass weder ich noch Romanovich irgendein Wort über Bruder Timothy und die nach ihm suchenden Polizisten verloren hatten. In der abgeschiedenen Welt eines Klosters, wo Abweichungen von der Routine selten waren, hätten die beunruhigenden Geschehnisse des Morgens unser erstes Thema sein sollen.
    Da wir beide nicht einmal beiläufig auf Bruder Timothys Verschwinden zu sprechen gekommen waren, ließ dies darauf schließen, dass wir die Ereignisse ähnlich interpretierten oder zumindest eine ähnliche Haltung dazu einnahmen, was uns auf irgendeine wichtige Weise verband. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit diesem Gedanken meinte, aber ich ahnte eine Wahrheit darin.
    Als Elvis mir mit seinen Mätzchen kein Lächeln entlocken konnte, steckte er den Zeigefinger tief ins linke Nasenloch und tat so, als würde er nach Popel bohren.
    Der Tod hatte ihn nicht von seinem Zwang befreit, sein Publikum zu unterhalten. Als sprachloser Geist konnte er natürlich nicht mehr singen oder Witze erzählen. Deshalb machte er manchmal ein paar Tanzschritte, die aus einem seiner Filme oder
seiner Shows in Las Vegas stammten, wobei er Fred Astaire dabei genauso wenig das Wasser reichen konnte wie Abt Bernard. Leider nahm er in seiner Verzweiflung aber auch gelegentlich Zuflucht zu infantilen Späßen, die seiner nicht würdig waren.
    Mitsamt dem Finger holte er einen imaginären Rotzfaden aus dem Nasenloch und tat so, als würde dieser immer länger werden. Dann zog er ihn mit beiden Händen Meter für Meter aus der Nase.
    Ich machte mich auf die Suche nach den Nachschlagewerken und stand eine Weile neben dem betreffenden Regal, um mich über Indianapolis zu informieren.
    Elvis hatte sich auf der anderen Seite des aufgeschlagenen Buchs postiert und setzte seinen kleinen Auftritt fort, doch ich ignorierte ihn.
    In Indianapolis gab es acht Universitäten und Colleges sowie ein großes öffentliches Bibliothekssystem.
    Als der King mir eine leichte Kopfnuss gab, hob ich seufzend den Blick.
    Diesmal hatte er den Zeigefinger bis zum Anschlag ins rechte Nasenloch gesteckt. Nun ragte die Fingerspitze jedoch aus seinem linken Ohr, obwohl das anatomisch eigentlich unmöglich war. Er wackelte damit.
    Unwillkürlich musste ich nun doch grinsen. Er hatte so ein irrsinniges Bedürfnis, sich zu produzieren.
    Zufrieden damit, mir ein Lächeln entlockt zu haben, nahm er den Finger aus der Nase und wischte beide Hände an meiner Jacke ab, als wären sie mit Rotz beschmiert.
    »Es ist kaum zu glauben«, sagte ich zu ihm, »dass du derselbe Typ bist, der ›Love Me Tender‹ gesungen hat.«
    Er tat so, als würde er den restlichen Schleim dazu verwenden, sein Haar zurückzustreichen.
    »Du bist nicht drollig«, sagte ich, »sondern grotesk!«

    Diese Beurteilung freute ihn. Grinsend machte er mehrere leichte Verbeugungen wie vor einem Publikum und formte dabei mit dem Mund lautlos die Worte Danke, danke, vielen herzlichen Dank.
    Ich setzte mich an einen Lesetisch, um genauer zu studieren, was in Indianapolis vor sich ging. Anscheinend wurde der Ort von mehr Fernstraßen durchschnitten als jede andere Großstadt der Vereinigten Staaten. Früher gab es dort eine blühende Reifenindustrie, aber damit war es jetzt vorbei.
    Elvis saß inzwischen an einem Fenster und betrachtete den

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