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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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einsetzenden Regenguss.
    Leicht benommen stand ich da und wartete.
    Hinter dem Fenster jagten chaotisch wirbelnde Schneeflocken durch den Tag. Obwohl der Wind sie peitschte wie vorher, verklangen seine Stimmen, und langsam durchflutete Stille den Raum.
    Justine öffnete die Augen. Während sie sonst meist durch alles auf dieser Welt hindurchsah, blickte sie mir nun direkt ins Gesicht.
    Ein vertrauter Duft stieg mir in die Nase. Pfirsiche.
    Während meiner Zeit als Grillkoch in Pico Mundo – bevor die Welt so dunkel wurde, wie sie es jetzt ist – habe ich zum Haarewaschen
immer ein Shampoo mit Pfirsichduft genommen, ein Geschenk von Stormy. Es sollte das Aroma von Speck, Hamburgern und gebratenen Zwiebeln ersetzen, das nach einem langen Arbeitstag an der Bratplatte in meinen Locken hing.
    Ausgerechnet Pfirsichshampoo zu verwenden hatte mir anfangs gar nicht gepasst. Deshalb hatte ich zu Stormy gesagt, ein Speck-Hamburger-Zwiebel-Duft wäre doch eigentlich sehr reizvoll und würde den Mund wässrig machen. Bekanntlich zeigten die meisten Leute ja eine quasi erotische Reaktion auf das Aroma gebratener Speisen.
    »Hör mal, Grilljunge«, hatte Stormy erwidert, »du bist zwar nicht so attraktiv wie Ronald McDonald, aber doch süß genug, um vernascht zu werden, ohne wie ein Fleischklops zu riechen.«
    Daraufhin habe ich täglich dieses Shampoo verwendet, wie es wohl jeder heißblütige junge Mann getan hätte.
    Der Duft, der nun in Zimmer 32 aufstieg, war eigentlich nicht der von Pfirsichen, sondern der genau dieses Pfirsichshampoos, das ich nicht mit ins Kloster gebracht hatte.
    Was da geschah, war nicht richtig. Ich wusste, dass ich sofort hätte gehen sollen, doch dieser Duft lähmte mich vollkommen.
    Man kann die Vergangenheit nicht zurückholen. Was war und was hätte sein können, führt uns nur zu dem, was jetzt ist.
    Um trauern zu können, müssen wir im Strom der Zeit treiben, denn Trauer entfaltet sich in der Gegenwart und verspricht, uns in die Zukunft zu begleiten, bis das Ende erreicht ist. Nur die Zeit bezwingt die Zeit und deren Bürde. Vor oder nach der Zeit gibt es keine Trauer, und das ist der ganze Trost, den wir brauchen sollten.
    Dennoch stand ich wartend da, erfüllt von einer Hoffnung, die eine falsche Hoffnung war.
    Stormy war tot und gehörte nicht mehr in diese Welt; Justine hatte durch langen Sauerstoffmangel einen schweren Hirnschaden
erlitten und konnte nicht sprechen. Dennoch versuchte sie, mit mir zu kommunizieren, nicht aus eigenem Antrieb, sondern im Auftrag von jemand anders, der auf dieser Seite des Grabes keinerlei Stimme mehr besaß.
    Was aus Justine herauskam, waren keine Worte, sondern verschlungene Geräuschknoten, in denen sich die verdrehte Natur ihres Gehirns widerspiegelte. Auf gespenstische Weise glich sie einer Ertrinkenden, die unter Wasser nach Luft rang. Es waren klägliche Geräusche, durchweicht, aufgequollen und unerträglich traurig.
    Ein qualvolles Nein! entfuhr mir, worauf das Mädchen den Versuch zu sprechen sofort aufgab.
    Justines normalerweise ausdruckslose Gesichtszüge verzogen sich zu einer frustrierten Miene. Ihr Blick glitt von mir weg, bewegte sich nach links, nach rechts und schließlich zum Fenster hin.
    Die Lähmung, an der sie litt, betraf den ganzen Körper, aber ihre linke Seite war deutlich stärker beeinträchtigt als die rechte. Mit einiger Mühe hob sie den beweglicheren Arm vom Bett. Ihre schmale Hand streckte sich nach mir aus, als wollte sie mich anflehen, näher zu kommen; dann jedoch deutete sie aufs Fenster.
    Ich sah dahinter nur ödes, verhülltes Tageslicht und den fallenden Schnee.
    Ihr Blick richtete sich wieder auf mich, gezielter, als ich es je bei ihr gesehen hatte. Ihre Augen waren so klar wie immer, aber mit einer Sehnsucht in der blauen Tiefe, die ich noch nie beobachtet hatte, nicht einmal in der vergangenen Nacht, als ich gehört hatte, wie aus dem Mund der schlafende Annamarie der mir so vertraute Satz Klär mich auf! gekommen war.
    Justines intensiver Blick wanderte von mir zum Fenster, dann kehrte er zu mir zurück, nur um sich erneut dem Fenster zuzuwenden,
auf das sie noch immer zeigte. Ihre Hand zitterte, weil es ihr offenbar große Mühe machte, sie zu beherrschen.
    Ich ging ein paar Schritte, bis ich mitten in Zimmer 32 stand.
    Durch das einzige Fenster bot sich ein Blick auf den Kreuzgang unten, wo die Brüder sich täglich versammelt hatten, als das Kloster noch hier gewesen war. Der offene Hof lag verlassen da. In dem

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