Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
Läutwerk wie drüben in der neuen Abtei. Der Turm hier war breiter, wodurch auch die Glockenstube geräumiger war als dort. Früher hatten die Mönche eindeutig mit größerem Vergnügen geläutet, denn sie hatten ein zweistufiges Geläut mit fünf gewaltigen Glocken einbauen lassen.
    Um die Bronzekolosse zum Schwingen zu bringen, benötigte Bruder Constantine weder Seil noch Kurbel. Er ritt einfach auf ihnen. Wie ein Cowboy beim Rodeo sprang er von einer Glocke zur anderen, als wären sie eine Herde bockender Bullen.
    Von Frustration und Zorn genährt, war sein rastloser Geist zu einem tobenden Poltergeist geworden. Als nichtstoffliches Wesen besaß er kein Gewicht, um die schweren Glocken mit irgendeiner Art von Hebelwirkung in Gang zu setzen. Stattdessen pulsierten konzentrische Kraftwellen aus ihm heraus, die für andere Menschen ebenso unsichtbar waren wie der tote Mönch selbst. Ich jedoch sah sie nur zu gut.

    Weil diese Wellen sich durch den Raum bewegten, schwangen die hängenden Ungetüme wild hin und her. Dabei hämmerten die riesigen Klöppel wesentlich brutalere Töne hervor, als die Handwerker, von denen sie gegossen worden waren, vorgesehen hatten.
    Falls die Wellen mich erfassten, so spürte ich sie nicht. Ein Poltergeist kann einem lebenden Wesen weder durch seine Berührungen schaden, noch es direkt durch seine Emanationen treffen.
    Gesetzt den Fall, dass eine der Glocken sich aus ihrer Halterung löste und auf mich fiel, würde ich trotzdem platt sein.
    Im Leben war Bruder Constantine ein sanfter Mensch gewesen, weshalb er im Tod nicht böse geworden sein konnte. Wenn er mir unabsichtlich Schaden zufügte, verfiel er bestimmt in eine noch größere Verzweiflung als jene, unter der er bereits litt.
    Nützen würde mir das nichts. Trotz seiner tiefen Reue wäre ich weiterhin platt gewesen.
    Wild sprang der tote Mönch auf den Glocken hin und her, von der unteren Reihe in die obere und wieder nach unten. Dämonisch sah er zwar nicht aus, aber es war wohl nicht unfair, ihn als ausgeflippt zu bezeichnen.
    Jeder auf Erden verweilende Geist ist irrational, da er sich innerhalb der vertikalen Ordnung der Welt verirrt hat. Ein Poltergeist ist nicht nur irrational, sondern auch stocksauer.
    Vorsichtig schob ich mich den Gang entlang, der rund um die Glocken führte. Da diese in einem weiteren Halbkreis hin- und herschwangen als vorgesehen, war ich gezwungen, mich am äußersten Rand zu halten.
    Auf der hüfthohen Außenwand standen Säulen, die das überhängende Dach stützten. An klaren Tagen hatte man von hier aus einen herrlichen Blick auf die neue Abtei, die Hänge der Sierra und den weiten, unberührten Wald.

    Nun verbargen sich die Abtei und der Wald im Schneesturm. Ich sah lediglich die Schieferdächer und die Höfe des Gebäudes direkt unter mir.
    Der Sturm heulte wie vorher, war jedoch wegen der dröhnenden Glocken nicht hörbar. Schneeflocken jagten sich durch den offenen Raum und wieder hinaus.
    Während ich Bruder Constantine langsam umkreiste, war er sich durchaus bewusst, dass ich heraufgekommen war. Wie ein Kobold in Kutte und Kapuze sprang er von Glocke zu Glocke, den Blick immer auf mich gerichtet.
    Seine Augen quollen grotesk hervor, nicht wie zu seinen Lebzeiten, sondern weil die würgende Schlinge sie herausgetrieben hatte, als sein Hals gebrochen und die Luftröhre zerquetscht worden war.
    Eine der Säulen im Rücken, blieb ich stehen, breitete die Arme aus und hob die Hände, wie um zu fragen: Was soll das Ganze, Bruder? Was nützt es dir?
    Obwohl er wusste, was ich meinte, wollte er offensichtlich nicht über die Wirkungslosigkeit seiner Wut nachdenken. Er wandte den Blick ab, um sich nur noch hektischer von einer Glocke zur anderen zu stürzen.
    Ich schob die Hände in die Hosentaschen und gähnte. Dann setzte ich eine gelangweilte Miene auf. Als er wieder zu mir herschaute, gähnte ich übertrieben und schüttelte den Kopf wie ein Schauspieler, der dem Publikum seine Enttäuschung mitteilen will.
    Dies war wieder einmal ein Beweis dafür, dass das Leben selbst in den schlimmsten Stunden, wenn eisige Angst an den Knochen nagt und die Nerven beben, einen Anflug von Komik behält. Das Getöse hatte mich zum Pantomimen gemacht.
    Nach der letzten Attacke verrauchte Bruder Constantines Zorn. Die konzentrischen Kraftwellen, die von ihm ausströmten,
verebbten, und sobald die Glocken weniger heftig schwangen, waren sie für mich keine Gefahr mehr.
    Obwohl meine Socken dick und zum

Weitere Kostenlose Bücher