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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Wintersport geeignet waren, kroch mir die Kälte des Steinbodens in die Fußsohlen. Mit klappernden Zähnen versuchte ich, weiter Langeweile vorzutäuschen.
    Bald stießen die Klöppel nur noch sanft an die Bronze. Die weichen, klaren Töne, die sie erzeugten, läuteten eine melancholische Stimmung ein.
    Die Stimme des Windes kam nicht gleich wieder angebraust, weil in meinen geschundenen Ohren noch die Erinnerung an das Spektakel dröhnte.
    Wie einer der Schwertkampfmeister in Tiger and Dragon , die anmutig vom Dach springen und wie bei einem luftigen Ballett zur Erde schweben, löste sich Bruder Constantine von den Glocken und landete neben mir auf dem Gang.
    Nun hatte er sich entschieden, seine Augen nicht mehr hervorquellen zu lassen. Sein Gesicht war so, wie es vor seinem grausamen Tod gewesen war, auch wenn er im Leben womöglich nie so traurig ausgesehen hatte.
    Als ich gerade etwas zu ihm sagen wollte, nahm ich auf der anderen Seite der Glockenstube eine Bewegung wahr. Zwischen den Rundungen der schweigenden Glocken stand eine Silhouette vor dem schwachen Licht des verschneiten Tages.
    Bruder Constantine, der meinem Blick gefolgt war, schien den Neuankömmling zu erkennen, so wenig dieser auch zu sehen war. Obwohl dem toten Mönch auf dieser Erde niemand mehr etwas antun konnte, schrak er angstvoll zurück.
    Ich hatte mich ein ganzes Stück weit von der Treppe entfernt, und da die Gestalt auf mich zukam, hatte sie mir bald den Fluchtweg abgeschnitten.
    Während meine vorübergehende Taubheit nachließ und der
Wind sich wie ein Chor zorniger Stimmen meldete, trat die Gestalt hinter den Glocken hervor. Es war der schwarz gewandete Mönch, den ich vor kaum zwanzig Minuten in der offenen Tür des Treppenhauses gesehen hatte.
    Nun war ich ihm näher als vorher, sah unter seiner Kapuze aber dennoch nur Schwärze, nicht die leiseste Andeutung eines Gesichts. Der Wind blähte die Kutte auf, ohne Füße zu entblößen, und am Ende der Ärmel waren keine Hände sichtbar.
    Da ich ihn diesmal länger betrachten konnte, fiel mir auf, dass seine Kutte länger war als die der Brüder; sie schleifte über den Boden. Auch der Stoff war anders. Er war nicht matt, sondern glänzte wie Seide.
    Um den Hals der Gestalt lag eine Kette aus menschlichen Zähnen, die aufgefädelt waren wie Perlen. In der Mitte baumelten drei nur aus gebleichten Knochen bestehende Finger herab.
    Statt eines Stoffgürtels war um die Kutte ein geflochtener Strick geschlungen, der aussah wie schimmerndes Menschenhaar.
    Er schwebte auf mich zu. Obwohl ich vorhatte, ihm die Stirn zu bieten, wich ich einen Schritt zurück. Vor dieser Begegnung graute es mir genauso wie meinem Gefährten, dem toten Bruder Constantine.

25
    Hätte die Kälte sich mir nicht in die Fußsohlen gebohrt wie spitze Nadeln, bis eine brennende Taubheit meine Zehen zusammenkrampfte, so hätte ich vielleicht gedacht, ich würde immer noch unruhig im Bett liegen und träumen. Leider erinnerte ich mich nur zu gut, wie mich das in den beschlagenen Fenstern meines Zimmers blitzende Licht der Polizeiwagen geweckt hatte.
    Dennoch stellten die großen herabbaumelnden Bronzeklöppel, denen Leute wie Sigmund Freud bestimmt eine frivole Bedeutung zugewiesen hätten, und das Kreuzgewölbe der Glockenstube mit seinen Rundungen und Schatten die ideale Landschaft eines Traums dar. Dazu passte, dass sich ringsum das reine Weiß des eisigen Sturms ausbreitete.
    Die minimalistische Gestalt des Todes in Kutte und Kapuze war nicht von Fäulnis oder Maden zerfressen wie in Comicbänden und billigen Splatterfilmen, sondern so makellos wie ein dunkler Polarwind und so real wie der Sensenmann in Ingmar Bergmans Das siebente Siegel . Zugleich besaß sie die Eigenschaften der in Albträumen auftretenden Phantome, die ebenso formlos wie bedrohlich wirken und am schärfsten aus dem Augenwinkel sichtbar sind.
    Der Tod hob den rechten Arm, und aus dem Ärmel tauchte eine lange, bleiche Hand auf, nicht als Skelett, sondern mit Fleisch und Haut. Während es unter der Kapuze weiter leer blieb,
streckte die Hand sich aus und deutete mit dem Zeigefinger auf mich.
    Nun fühlte ich mich nicht mehr an Bergman erinnert, sondern an die »Weihnachtsgeschichte« von Charles Dickens. Dies war der letzte der drei Geister, die dem Geizhals Ebenezer Scrooge erscheinen und den dieser den »Geist der zukünftigen Weihnacht« nennt. Das ist die Gestalt auch, klar, aber sie ist noch etwas Wichtigeres, denn wo immer die Zukunft auch

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