Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
Luft fächerte sich ein kaleidoskopisches Bild auf, das der Wind nur für einen kurzen Augenblick stehen ließ und dann auflöste.

26
    Ich saß unten in der Empfangshalle auf einer Sofakante, um meine Winterstiefel anzuziehen, die inzwischen getrocknet waren.
    Meine Füße waren noch immer steif vor Kälte. Liebend gern wäre ich in einem Sessel versunken, um sie auf einen Hocker zu legen, mich in eine Wolldecke zu kuscheln, einen guten Roman zu lesen, Kekse zu knabbern und mir von meiner guten Fee eine Tasse heiße Schokolade servieren zu lassen.
    Wenn ich tatsächlich eine gute Fee hätte, dann würde sie Angela Lansbury ähneln, der Hauptdarstellerin in der Fernsehserie Mord ist ihr Hobby. Sie würde mich bedingungslos lieben, mir alles verschaffen, was mein Herz begehrt, und mich jede Nacht ins Bett bringen, um mir einen Gutenachtkuss auf die Stirn zu geben. Dazu wäre sie verpflichtet, weil sie in Disneyland an einer harten Ausbildung teilgenommen und anschließend in Anwesenheit von Walt Disneys tiefgekühlter Leiche den Feeneid geleistet hätte.
    Ich schnürte meine Stiefel zu, erhob mich und bewegte die halb tauben Zehen.
    Trotz des knochigen Ungetüms, das vor der Tür herumschlich, musste ich wieder hinaus in den Blizzard – nicht augenblicklich, aber bald.
    Welche Kräfte auch immer hier am Werk waren, ich war noch nie auf etwas Ähnliches gestoßen. Deshalb hatte ich auch nicht
viel Hoffnung, rechtzeitig genug ihre Absichten entschlüsseln zu können, um die Katastrophe bereits im Vorfeld zu verhindern. Gelang es mir aber nicht, die Bedrohung dingfest zu machen, bevor sie über uns hereinbrach, brauchte ich Leute mit tapferem Herzen und starken Händen, die mir halfen, die Kinder zu beschützen. Glücklicherweise wusste ich, wo ich sie finden konnte.
    Stattlich, aber doch graziös erschien Schwester Angela, umflossen von ihrem weißen Habit, das ihre Schritte dämpfte. Bei diesem Wetter konnte man sie sich gut als Verkörperung einer Schneegöttin vorstellen, die von ihrem himmlischen Palast herabgestiegen war, um die Wirkung ihres Winterzaubers in Augenschein zu nehmen.
    »Schwester Maria Clara hat mir gesagt, du möchtest mit mir sprechen, Oddie.«
    Bruder Constantine hatte mich vom Glockenturm herabbegleitet und trat nun zu uns. Sehen konnte ihn die Mutter Oberin natürlich nicht.
    »George Washington war bekannt für seine schlechten falschen Zähne«, erklärte ich. »Über das Gebiss von Flannery O’Connor und Harper Lee weiß ich allerdings nicht Bescheid.«
    »Ich auch nicht«, sagte sie. »Und bevor du fragst: Mit dem Haarschnitt der drei hat es auch nichts zu tun.«
    »Bruder Constantine hat nicht Selbstmord begangen«, berichtete ich. »Er wurde ermordet.«
    Ihre Augen wurden weit. »Ich habe noch nie eine so schöne Nachricht gehört, der im selben Satz eine so schreckliche Nachricht gefolgt ist.«
    »Er ist nicht hiergeblieben, weil er fürchtet, in der nächsten Welt bestraft zu werden, sondern weil er verzweifelt wegen seiner Brüder in der Abtei ist.«
    Schwester Angela ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Ist er jetzt gerade bei uns?«

    »Direkt neben mir.« Ich deutete auf seinen Standort.
    »Lieber Bruder Constantine!« Die Stimme der Mutter Oberin war belegt vor Rührung. »Wir haben jeden Tag für dich gebetet, und wir haben dich auch jeden Tag vermisst.«
    In den Augen des Geistes schienen Tränen zu glänzen.
    Ich sagte: »Er wollte nicht aus dieser Welt fortgehen, solange seine Brüder glauben, er hätte sich umgebracht.«
    »Natürlich! Er hat Angst, sein vermeintlicher Selbstmord könnte sie dazu bringen, an ihrer eigenen Verpflichtung zu einem Leben im Glauben zu zweifeln.«
    »Ja. Aber ich glaube auch, er macht sich Sorgen, weil sie nicht wissen, dass ein Mörder unter sie geraten ist.«
    An und für sich war Schwester Angela ausgesprochen schnell von Begriff, aber ihr jahrzehntelanger, sanftmütiger Dienst in der friedlichen Umgebung verschiedener Klöster hatte ihre Gewieftheit wohl doch etwas stumpf werden lassen.
    »Du meinst doch sicherlich einen Fremden, der eines Nachts irgendwie hierhergeraten ist, wie man es immer in den Nachrichten sieht«, sagte sie verdutzt. »Und dem ist Bruder Constantine zu seinem Unglück über den Weg gelaufen, ja?«
    »Falls das der Fall ist, dann ist der Kerl jetzt wieder zurückgekommen, um Bruder Timothy umzubringen. Und gerade eben hat er auf dem Turm versucht, mich ebenfalls zu ermorden. «
    Erschrocken legte sie mir eine Hand

Weitere Kostenlose Bücher