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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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eine besucht.«
    »Oh. Das ist das erste Mal, dass ich jemanden kennenlerne, der ohne Lizenz einbalsamiert.«
    Seine Augen gaben eine Ordnung zu erkennen, die noch strenger war als das, was von seiner Kleidung und seinem Gesicht ausgedrückt wurde.
    »Die Lizenz habe ich ganz ohne Ausbildung erhalten«, sagte er. »Ich hatte ein natürliches Talent für den Beruf.«

    »Manche Kinder werden mit dem absoluten Gehör geboren oder als Mathematikgenie, und Sie wurden mit dem Wissen geboren, wie man Menschen für den Tod vorbereitet, ja?«
    »Genau so ist es, Mr. Thomas.«
    »Dann müssen Sie interessante Gene haben.«
    »Ich vermute«, sagte er, »dass Ihre und meine Familie gleichermaßen unkonventionell sind.«
    »Die Schwester meiner Mutter, Tante Cymry, habe ich zwar nie kennengelernt, aber mein Vater behauptet, sie sei eine gefährliche Mutantin, die man irgendwo weggesperrt hat.«
    Der Russe zuckte die Achseln. »Ich würde trotzdem wetten, dass unsere Familien sich ziemlich ähnlich sind. Soll ich vorausfahren oder Ihnen folgen?«
    Falls er auf irgendeiner Ebene unterhalb seiner Kleidung, seines Gesichts und seiner Augen Chaos beherbergte, dann musste es sich in seinem Gehirn befinden. Ich fragte mich, welche seltsame Ordnung dem wohl zugrunde lag.
    »Sir, bisher bin ich im Schnee noch nie Auto gefahren. Ich bin nicht sicher, ob ich bei den ganzen Verwehungen sehen kann, wo die Straße von hier zur Abtei verläuft. Deshalb müsste ich mich intuitiv vorwärtspflügen – aber das tue ich normalerweise recht erfolgreich.«
    »Nichts für ungut, Mr. Thomas, aber ich glaube, hier zählt Erfahrung mehr als Intuition. In Russland fällt eine Menge Schnee, ganz zu schweigen davon, dass ich während eines Blizzards geboren wurde.«
    »Während eines Blizzards und in einem Leichenschauhaus?«
    »Falsch. Es war in einer Bibliothek.«
    »War Ihre Mutter Bibliothekarin?«
    »Nein«, sagte er, »sie war eine Attentäterin.«
    »Eine Attentäterin.«
    »Ganz recht.«

    »Meinen Sie das mit der Attentäterin im übertragenen Sinn oder wörtlich, Sir?«
    »Sowohl als auch, Mr. Thomas. Wenn Sie hinter mir herfahren, bleiben Sie bitte in sicherem Abstand. Selbst mit Vierradantrieb und Ketten besteht eine gewisse Rutschgefahr.«
    »Ich hab schon den ganzen Tag das Gefühl zu rutschen. Allein deshalb werde ich bestimmt aufpassen, Sir.«
    »Wenn der Wagen anfängt zu rutschen, drehen Sie das Lenkrad in dieselbe Richtung. Versuchen Sie nicht, gegenzulenken. Und treten Sie vorsichtig auf die Bremse.« Er ging zu seinem Fahrzeug und öffnete die Tür.
    Bevor er einsteigen konnte, sagte ich: »Sir, betätigen Sie bitte die Zentralverriegelung. Und falls Sie im Sturm etwas Ungewöhnliches sehen sollten, steigen Sie nicht aus, um es sich genauer anzuschauen. Fahren Sie einfach weiter.«
    »Etwas Ungewöhnliches? Zum Beispiel?«
    »Ach, Sie wissen schon, irgendetwas. Zum Beispiel einen Schneemann mit drei Köpfen oder jemand, der aussieht, als könnte es sich um meine Tante Cymry handeln.«
    Mit seinem Blick hätte Romanovich einen Apfel schälen können.
    Ich wünschte ihm mit einem kurzen Winken Glück und stieg in meinen Wagen. Ein leichtes Zögern, dann tat er dasselbe.
    Nachdem er um mich herum zum Fuß der Rampe gefahren war, schloss ich mich an.
    Er betätigte die Fernbedienung, und vor uns hob sich das große Rolltor.
    Jenseits davon breitete sich ein Chaos aus düsterem Licht und heulendem Wind aus, durchsetzt von erbarmungslos fallendem Schnee.

35
    Vor mir fuhr Rodion Romanovich aus der Garage in den Wind und den Schnee, und ich schaltete die Scheinwerfer ein. In diesem Flockenwirbel war es so dunkel, dass sie nötig waren.
    Im selben Augenblick, in dem das Licht den trüben weißen Vorhang aus gefrorenen Kristallen zum Funkeln brachte, materialisierte sich Elvis auf dem Beifahrersitz, als hätte ich ihn ebenfalls eingeschaltet.
    Er trug den Taucheranzug eines Marinefroschmanns aus Easy Come, Easy Go oder auch Seemann Ahoi , wahrscheinlich, weil er wieder einmal meinte, mich aufheitern zu müssen.
    Die schwarze Neoprenhaube, die ihm wie angegossen um den Kopf lag, bedeckte sein Haar, seine Ohren und seine Stirn bis zu den Augenbrauen. Dass sein Gesicht dadurch hervorgehoben wurde, verstärkte dessen Sinnlichkeit, aber nicht auf positive Weise. Es sah nicht wie ein Froschmann aus, sondern eher wie ein süßer, kleiner Putto, den irgendein Perversling in ein Bondagekostüm gesteckt hatte.
    »Au Mann, dieser Film«, sagte ich. »Mit

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