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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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eigentlich? Ich kann euch nicht folgen.«
    »Abwarten«, sagte ich, ohne mich umzudrehen. »Irgendwann werden Sie ihm folgen. Das tun wir alle irgendwann.«
    »Wem werde ich folgen?«
    »Elvis Presley, Sir.«
    »Ich wette, dein linkes Augenlid zuckt gerade wieder wie verrückt«, maulte Bruder Quentin.
    »Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte ich.
    Knoche schüttelte bestätigend den Kopf. »Nee, da ist kein Zucken.«
    Wir hatten bereits zwei Drittel des Wegs zwischen Abtei und Internat hinter uns, als etwas anderes im Sturm auftauchte – ein scherengliedriges, staksendes, gewundenes Konstrukt aus Knochen.

38
    Obwohl Bruder Timothy von einer dieser Kreaturen getötet worden war – und nicht nur das –, hatte jener sinnlos optimistische Teil von mir, den ich mir einfach nicht völlig austreiben kann, sich einreden wollen, das sich ständig veränderte Knochenmosaik am Fenster und meine Verfolger im Untergeschoss seien bloße Erscheinungen gewesen. So schauderhaft sie waren, hätten sie dann schließlich keine so reale Bedrohung dargestellt wie ein Mann mit einer Pistole, eine Frau mit einem Messer oder ein hochrangiger Politiker mit einer Idee.
    Dieser übermäßig optimistische Odd hätte nun gern angenommen, dass die Knochendinger für alle außer ihm ebenso unsichtbar waren wie die Geister der auf der Erde verweilenden Toten und die Bodachs. Dann wäre das, was Bruder Timothy zugestoßen war, eine Ausnahme von der Regel gewesen, dass übernatürliche Erscheinungen nicht die Kraft besitzen, lebenden Menschen zu schaden.
    Derartige Überlegungen entpuppten sich als reines Wunschdenken, als ich sah, wie Knoche und seine Brüder auf das heulende Etwas reagierten.
    So hoch und lang wie zwei dicht hintereinander laufende Pferde brach das Ding aus dem weißen Wind. Kaleidoskopartige Strukturen hielten seinen Körper in ständiger Veränderung, während es direkt vor dem ersten Geländewagen den Fahrweg überquerte.

    Im tiefsten Kreis der Hölle, den Dante in seiner Göttlichen Komödie als Welt aus Eis und Schnee beschreibt, steckt der gefangene Luzifer in einem gefrorenen See, mit drei großen ledrigen Flügelpaaren flatternd. Der gefallene Engel – einst schön, jetzt abgrundtief hässlich – strömt Bosheit, Elend und Verzweiflung aus.
    Hier nun verkörperten sich Elend und Verzweiflung im Kalziumphosphat der Knochen und Bosheit im Mark, falls das tatsächlich die Baustoffe der Kreatur waren. Auch in deren Form und ihrer raschen Bewegung drückte sich die unheilvolle Absicht aus.
    Auf das, was sie sahen, reagierte keiner der Brüder mit Verwunderung, Angst vor dem Unbekannten oder schlichtem Unglauben. Alle empfanden die Kreatur als Gräuel, das sie mit Ekel und Schrecken betrachteten, mit Abscheu und einem rechtschaffenen Hass. Offenbar glaubten sie schon beim ersten Blick, die Manifestation einer uralten, zähen Bestie zu erkennen.
    Falls einer von ihnen erschrocken verstummt war, fand er seine Stimme rasch wieder. Ein Ausruf übertönte den anderen. Manche riefen Christus oder die Gottesmutter an, andere nannten das Ding vor uns einen Dämon oder gar den Vater aller Dämonen. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass die ersten Worte von Bruder Knoche Mamma mia! lauteten.
    Rodion Romanovich brachte seinen Wagen zum Stehen, während der weiße Dämon vor ihm vorbeiglitt.
    Als auch Knoche bremste, holperten die Schneeketten über das eisige Pflaster, doch wir kamen nicht ins Rutschen und blieben ebenfalls ruckhaft stehen.
    Inzwischen hatte das Ding die Straße überquert und bewegte sich schnurstracks weiter, als hätte es uns gar nicht wahrgenommen. Die stampfenden Knochenbeine ließen den tiefen Schnee auf der Wiese aufwirbeln. Hätten noch irgendwelche
Zweifel an der Realität der Kreatur bestanden, so wären sie von den Spuren, die das Ding hinterließ, endgültig beseitigt worden.
    Es würde wiederkommen, da war ich mir sicher. Sein Desinteresse war nur vorgetäuscht. »Los«, sagte ich zu Knoche, »bleiben Sie hier bloß nicht stehen. Los, los, bringen Sie uns in Sicherheit! «
    »Ich kann nicht weiter, bevor er losfährt«, sagte Knoche und deutete auf den anderen Wagen, der vor uns die Straße blockierte.
    Rechts von uns kam eine steile Böschung, die das monströse Skelett wie ein Tausendfüßler heruntergestakst war. Da konnten wir nicht hoch, denn sonst blieben wir entweder in einer Schneewehe stecken oder kippten einfach um.
    Auf der anderen Seite verschwand das fantastische Gebilde aus

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