Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
Körperlotion ein und trocknete mir die Haare. Langsam machte sich Erschöpfung in mir breit. Seit acht Uhr heute Morgen, als Detective Flynn an meine Tür geklopft hatte, war ich zusammengeschlagen und wieder geheilt worden, hatte ich der leibhaftigen Versuchung in Gestalt von Michael gegenübergestanden und einem Feind noch mehr Grund gegeben, mich zu hassen. Ich schlüpfte in ein Shirt, das mir bis zu den Knien reichte, und zog eine Unterhose an, was ich normalerweise nicht tat, wenn ich ins Bett ging. Gedanken an den heißen Cop, die die Sache nur noch verkomplizieren würden, brauchte ich jetzt nicht.
Als ich zurück ins Schlafzimmer kam, hörte ich nichts aus dem Wohnzimmer und nahm deshalb an, dass er gegangen war. Ich hoffte, dass er gegangen war. Was dachte sich die Mutter dabei? Wie sollte ein so rational denkender Mann wie Flynn das Mystische verstehen? Horus, Nofretete und Nirah waren längst nicht das Exotischste, was ich aus Mutters geheimer Welt und ihrem Krieg mit dem, was sich in den Barrows befand, kannte.
Ich ging ins Wohnzimmer.
Flynn saß am Tisch und beobachtete Horus, Nofretete und Nirah dabei, wie sie etwas aus flachen Schüsseln aßen.
»Was machen Sie da?«
»Ich dachte, dass sie vielleicht Hunger haben«, erklärte er. »Alles, was ich finden konnte, war eine Dose Kaviar im Kühlschrank.«
»Das ist der Kaviar, den mir meine Cousine geschickt hatte.« Ich hatte noch nie Kaviar gegessen und das Zeug im Kühlschrank gelassen, bis ich den Mut aufbrachte, ihn zu probieren.
Ich setzte mich in einen Sessel und sah zu, wie sie die Fischeier bis aufs letzte Krümelchen vertilgten. Horus war zuerst fertig. Er ging zu Flynn und tätschelte ihm die Hand mit seiner Pfote. Nirah schloss sich Horus an und stieß mit ihrem kleinen Kopf gegen Flynns Finger. Gütige Mutter! Er hatte eine Beziehung zu ihnen hergestellt. Soweit ich wusste, hatte das bisher nur Abby getan. Ich stellte fest, dass ich mich gleichzeitig ärgerte und freute. Wie sollte ich ihn jetzt wieder loswerden? Wollte ich das überhaupt? Er hatte wegen meiner Verletzungen Mitgefühl gezeigt und mir Komplimente über mein Haar gemacht; aber das tun viele. Wenn er mir mit irgendetwas gezeigt hatte, dass ich ihm als Frau gefiel, war mir das entgangen.
»Bitte schön«, sagte Flynn. Ich hatte Angst, dass er versuchen würde, Horus zu streicheln; denn das wäre ein Fehler gewesen. Aber er tat es glücklicherweise nicht.
Flynn grinste mich an, und seine Augen funkelten verschmitzt. »Wie lange ist es her, dass Sie einen Freund hatten?«, fragte er unvermittelt.
»Ein paar Monate«, log ich. Keine Frau will zugeben, dass sie ein Jahr lang keinen Sex hatte – oder zwei.
»Was ist mit ihm passiert?« Er lehnte sich zurück, und sein Grinsen wurde breiter. »Mochte er etwa keine Schlangen?«
»Er fühlte sich unwohl in ihrer Gegenwart.« Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht zu lachen. »Der Mann hatte keinen Sinn für Humor. Er wachte eines Morgens auf und stellte fest, dass sich Nofretete auf seiner Brust zusammengerollt hatte. Er rannte nackt und schreiend aus der Wohnung. Sie wollte sich doch nur mit ihm anfreunden. Ich hab ihm seine Klamotten mit der Post nachgeschickt.«
Flynn kicherte. »Und wo schlafe ich nun?«
»Sofa oder Boden. Können Sie sich aussuchen. Ich lasse die Schlafzimmertür auf, sodass Sie ins Badezimmer können. Klappen Sie die Klobrille wieder runter.«
Kurz darauf hörte ich ihn ins Badezimmer gehen und die Tür hinter sich schließen. Der Tag hatte mich völlig ausgelaugt, sodass ich mich wie ein nasser Waschlappen fühlte, deshalb schlief ich auch sofort ein. So viel zur scharfäugigen, immer wachsamen Jägerin. Ein fremder Mann in meiner Wohnung, und ich penne sofort ein. Aber Nirah, Nofretete und Horus hatten ihn akzeptiert, und das gab mir ein gewisses Maß an Sicherheit.
Ich wachte irgendwann nachts auf und merkte, dass jemand in meinem Bett lag. Ich stützte mich auf und versetzte Flynn einen kräftigen Stoß.
»Was ist?«, brummte er völlig verschlafen.
»Sie sollen nicht hier sein. Hallo. Schlafsack. Sofa. Wohnzimmer.«
»Ist unbequem. Ich muss mich erholen.« Er drehte sich auf die Seite und wandte mir den Rücken zu.
Ich seufzte. Zumindest hatte er etwas an – Kaki-Shorts –, und ich besaß ein Doppelbett. Wie seltsam. Ich hätte mich mit ihm an meiner Seite eigentlich sehr unwohl fühlen müssen. Warum war ich noch nicht einmal aufgewacht, als er sich hingelegt hatte?
Offensichtlich
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