Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
Vom Netzwerk:
Sehnen traten an seinen Armen hervor. Seine Haut glänzte, als wäre sie von Schweiß bedeckt.
    »Guten Morgen, Malhamota.« Er setzte das Bein ab und öffnete die Augen.
    »Guten Morgen. Malha … was?«
    »Malhamota.«
    »Was bedeutet … das?« Ich hatte dieses Wort noch nie gehört.
    » Etwas sehr Schönes.« Er lächelte geheimnisvoll. »Aber das ist eine lange Geschichte.«
    »Ich habe Zeit«, versicherte ich. Ich wollte mehr, nein, alles über ihn und seinen Stamm erfahren. Jede Geschichte hören, die es zu erzählen gab.
    Er lächelte sanft und setzte sich zu mir ins Gras, so dicht, dass ich seinen Geruch wahrnahm. »Na schön, ich erzähle sie dir.«Ich mochte diese alten Legenden inzwischen und war sehr neugierig, was es mit Malhamota auf sich hatte. Ganz besonders, weil er mich so nannte. Er zupfte einen Grashalm ab und steckte ihn in den Mund. Tief atmete er ein und blickte zur Sonne auf, die sanft durch das schützende Blätterdach auf uns herabschien.
    »Die Geschichte von Malhamota und Malhamoti ist so alt wie die Welt«, begann er, und seine Stimme klang tief und dunkel wie die Stimme eines Geschichtenerzählers. »Manche behaupten sogar, sie sei noch viel älter. Ich erinnere mich genau, wann ich sie zum ersten Mal hörte. Damals war ich ein kleiner Junge. Im Dorf wurden die Vorbereitungen für das Fest der Malhamota getroffen, um für friedliche Nächte zu danken. Mein Vater, der zugleich der Häuptling des Stammes ist, rief alle Jungen und Mädchen in sein Zelt, um ihnen die alte Legende zu erzählen. Gespannt lauschten sie seinen Worten, denn es war bekannt, dass er immer eine gute Geschichte zu erzählen wusste. Wir setzten uns im Halbkreis um ihn, und er zeichnete das, was ihr Sonne und Mond nennt, in den Sand.
    ›Vor langer Zeit, als das große Nichts herrschte, erwachte Malhamoti in der Dunkelheit, und er merkte, dass er ganz allein war. Er hatte keine Mutter, keinen Vater, auch keine Schwester oder einen Bruder so wie ihr‹, begann der Häuptling seine Erzählung.
    ›Armer Malhamoti‹, unterbrach eines der Ti’tibrin ihn.
    ›Er war in der Tat zu bedauern. Ihr könnt euch vorstellen, dass sein Herz voller Trübsinn war. Er sehnte sich nach einem guten Gespräch und einem freundlichen Lächeln. Doch um ihn herum war nichts außer der Dunkelheit.
    Seine Einsamkeit quälte ihn so sehr, dass er es nicht länger aushielt. Er zog aus, um irgendwo dort draußen jemanden zu finden, dem es erging wie ihm, der von seiner Art war und der ihm ein Gefährte sein würde. Malhamoti entzündete eine helle Flamme, die er vor sich her trug, und wanderte durch das endlose Nichts. Viel Zeit verging, seine Suche blieb dennoch erfolglos.
    Erschöpft setzte er sich auf einen Felsen, der über den Strom der Zeit ragte, und blickte hinunter. Vielleicht war es besser, die Suche aufzugeben? Er hatte keine Kraft mehr und allen Mut verloren. Doch in dem Moment, als er mit dem Gedanken spielte, sich in den Strom hinabzustürzen, sah er plötzlich ein helles Licht in der Ferne aufblitzen. Rasch hob er seine Fackel, um zu erkennen, wer dort war, doch seine Augen konnten die Dunkelheit nicht durchdringen.
    Auf der anderen Seite des Stroms stand Malhamota, die genau wie Malhamoti einen Gefährten suchte. Auch sie war in die Finsternis hineingeboren worden, hatte sich wie er auf die Suche nach Gesellschaft gemacht. Und nun, da sie das Leuchten seiner Fackel sah, hob sie ihren Spiegel, auf dass sich sein Licht reflektierte und er auf sie aufmerksam würde.
    Seine Antwort versetzte sie in helle Aufregung, und Tränen der Freude liefen ihr über die Wangen. WelchGlück es für beide war, endlich ein anderes Wesen gefunden zu haben. Sie erkannten, dass sie nicht allein waren, dass es Hoffnung gab.
    Aus ihrer Not erwuchs eine so tiefe Bindung, dass Malhamota nicht mehr ohne Malhamoti sein konnte. Sie blieben dort, für immer, aus Angst, den anderen in der unendlichen Dunkelheit wieder zu verlieren. Und so kommt es, dass sie auch heute noch füreinander leuchten.‹
    Von diesem Tag an sah ich die Welt mit anderen Augen und wünschte mir stets, meine eigene Malhamota zu finden, zu der ich eine ebenso starke Bindung aufbauen würde wie Malhamoti. Sie sagen, es geschieht nur ein Mal in hundert Kreisläufen, dass sich zwei Ti’tibrin E’neya so sehr lieben, dass sie zu Malhamoti und Malhamota, Seelengefährten, werden.«
    »Das ist eine unglaublich schöne Geschichte.« Ich war unendlich gerührt. War ich tatsächlich eine

Weitere Kostenlose Bücher