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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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vorsichtshalber verteilte er noch ein paar weitere Portionen in den entgegengesetzten Ecken des Bassins. Dann stellte er die Futterdose an ihren Platz zurück und beobachtete die Haustiere seiner Partnerin beim Fressen. Ob Winnie Heller auch so vor ihrem Aquarium saß, nach Dienstschluss? Ob sie sich hin und wieder einen Stuhl heranzog und sich von den harmonischen Bewegungen ihrer Fische beruhigen ließ?
    Das wäre nicht die schlechteste Form von Entspannung, dachte Verhoeven, indem ihm einmal mehr die Einladungskarte einfiel, die seine Tochter erst vor wenigen Wochen für Winnie Heller geschrieben hatte. Achtzehn mal neu, wie seine Frau ihm mit einer Mischung aus Stolz und Unverständnis berichtet hatte, weil Nina immer irgendwo ein Buchstabe zu krumm oder ein Abschwung nicht schön genug erschienen war. Liebe Winnie , leider ist unser See am Rand noch ein bisschen zugefroren, aber bald ist wieder schönes Wetter und dann musst du unbedingt vorbeikommen und dir meine Goldfische ansehen. Was soll ich ihr sagen, wenn sie nach Winnie fragt?, überlegte Verhoeven. Das eigene Kind zu belügen war etwas, das man nach seinem Verständnis der Welt einfach nicht tat. Aber die Wahrheit war auch keine Alternative. Nicht in diesem speziellen Fall.
    Er stand auf und schob die Abdeckung von Winnie Hellers Aquarium wieder an ihren Platz zurück. »Sie kommt bald zurück«, sagte er, mehr an sich selbst als an die Mitbewohner seiner Partnerin gewandt. »Ganz bestimmt.«
    Die Kleene ist verdammt zäh , pflichtete eine imaginäre Dr. Gutzkow ihm bei.
    »Ihr Wort in Gottes Ohr«, seufzte Verhoeven.
    Mit bleiernen Schritten kehrte er zur Wohnungstür zurück und schaltete das Licht aus. Dann zog er Winnie Hellers Wohnungstür hinter sich ins Schloss. Leise, als habe er nicht die geringste Berechtigung, sich in diesem Haus aufzuhalten, stieg er die fünf Treppen zur Straße hinunter. Im Gehen warf er einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr und zog sein Handy heraus. Dann wählte er die Nummer, die Bredeney ihm gegeben hatte. Doch Marie Wer-auch-immer war nicht zu Hause. Noch immer nicht.
    Im Auto dachte er darüber nach, wie es nun weitergehen würde. Wenn sie Glück hatten, würden sich die Entführer in ein paar Stunden melden. Und wenn sie richtig Glück hatten, würden sie sich von Goldstein eine Weile hinhalten lassen. Oder am besten gleich ganz auf Walther Lieson verzichten.
    Das glaubst du doch selbst nicht, meldete sich eine böse kleine Stimme in seinem Kopf zu Wort. Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten. Sie könnten überall sein. Wer sagt denn, dass sie sich überhaupt noch hier in der Gegend aufhalten?! Und selbst wenn: Wie lange wird es dauern, bis ihr alle in Frage kommenden Objekte überprüft habt? Vielleicht fahrt ihr am richtigen Haus, an der richtigen Wohnung vorbei, weil irgendetwas euch veranlasst, stattdessen woanders zu suchen. Vielleicht ist unter all den Hinweisen, denen ihr nachgehen müsst, tatsächlich der richtige dabei, aber ihr überseht ihn, und er landet irgendwo unter einem Stapel von Informationen, bis es zu spät ist. Denk an Schleyer! Denk daran, was alles schiefgehen kann!
    Die Wiederholung eines Fehlers lässt sich nur dann vermeiden, wenn man weiß, warum man diesen Fehler überhaupt gemacht hat , erinnerte ihn ein imaginärer Grovius in belehrendem Ton. Und zum ersten Mal in seinem Leben hatte Verhoeven in diesem Augenblick das Gefühl, dass ihm Winnie Heller näher war als der Mann, der ihn in sein Team geholt und stets nach Kräften gefördert hatte.
    Zu Hause verriet ihm der schwache Lichtschein hinter den Fenstern im Erdgeschoss, dass seine Frau noch wach war. Er hatte sie kurz angerufen, bevor Goldstein und er sich noch einmal mit Inger Lieson unterhalten hatten, und hatte ihr gesagt, was geschehen war und dass es spät werden konnte. Doch er wusste auch, dass Silvie es niemals über sich bringen würde, zu Bett zu gehen, solange er nicht zu Hause war. Nicht an einem Tag wie diesem.
    Er fand seine Frau im Wohnzimmer, und der Blick, mit dem sie ihm entgegensah, war zutiefst besorgt. Dennoch überließ sie ihm den Zeitpunkt, das Gespräch zu beginnen. Etwas, wofür er ihr unendlich dankbar war.
    »Leider wissen wir immer noch nicht viel mehr«, sagte er, nachdem er sich auf die Couch gesetzt hatte, ihr gegenüber, damit sie einander in die Augen sehen konnten. »Nur, dass sie sieben Personen in ihrer Gewalt haben und dass es ihnen neben dem Geld auch noch um etwas anderes geht.«
    In den

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