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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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genauso still wie zuvor.
    »Ist was?«, fragte Quentin, der ihr Zögern bemerkte. »Nein.«
    »Also dann.«
    »Seien Sie vorsichtig. Und gehen Sie nicht zu weit.«
    »Keine Sorge«, sagte er. Und indem er sich noch einmal kurz zu ihr umdrehte, fügte er hinzu: »Ohne Taschenlampen kommen wir ohnehin nicht weiter als ein paar Meter.«
    Winnie Heller stieß einen melancholischen Seufzer aus. »Dabei müsste ja eigentlich Tag sein ...«
    »Wo?«, fragte der Zeitschriftenhändler mit einem leisen Lächeln.
    Dann hatte ihn die Dunkelheit über der Grube verschluckt.
     
     
     

10
     
    Britta Karlstadt bewohnte ein kompaktes Einfamilienhaus in der Nähe des Schiersteiner Hafens. Sie kam selbst an die Tür, um Verhoeven einzulassen, auch wenn dieser für den Bruchteil einer Sekunde im Dunkel des Flurs einen Schatten gewahrte, der auf die Anwesenheit einer zweiten Person hindeutete.
    »Danke, dass ich gleich vorbeikommen durfte«, sagte er mit Blick auf das Baby, das die Bankangestellte im Arm trug. Die tiefen Ringe unter ihren Augen verrieten, dass sie in den letzten Wochen nur wenig Schlaf bekommen hatte, und Verhoeven dachte daran, dass es Silvie und ihm bald ähnlich gehen würde.
    »Leon ist ein ziemlich aufgewecktes Kind«, sagte die junge Mutter in diesem Augenblick, als habe sie seine Gedanken erraten. »Aber das ist ja eigentlich etwas, worüber man sich freuen muss.«
    Sie führte ihn in die Küche des Hauses, die weder aufgeräumt noch besonders sauber war und trotzdem überaus gemütlich wirkte. Auch wenn der riesige amerikanische Kühlschrank neben der Küchenbank lauter zu brummen schien als die Turbinen eines Luxusliners.
    »Kann ich Ihnen vielleicht irgendetwas anbieten?« Britta Karlstadt schenkte ihrem Gast ein verschmitztes Lächeln. »Ein schönes Glas Milch vielleicht? Oder ein paar Löffel Bananenbrei?«
    Verhoeven lachte auch. »Klingt verlockend, aber leider bin ich im Dienst.«
    »Hast du das gehört, Leon?«, scherzte die Bankangestellte, indem sie ihrem Sohn liebevoll über das bereits erstaunlich dichte Haar strich. Es glänzte so dunkel, dass der Kopf des Jungen wie lackiert wirkte. »Der Herr wünscht keinen Bananenbrei. Wie findest du das? Ich fürchte, manche Leute wissen einfach nicht, was gut für sie ist.« Dann setzte sie sich Verhoeven gegenüber auf die Bank und blickte ihn aus ernsten braunen Augen an. »Aber Spaß beiseite«, sagte sie. »Ich will Sie nicht länger als nötig aufhalten. Und wie ich Ihrem Kollegen schon sagte, habe ich auch wirklich nicht viel zu berichten. Es ist nur, dass dieser Name, der Sie so interessiert ...« Sie schüttelte nachdenklich den Kopf. »Komisch, aber der hat sich mir irgendwie eingeprägt.«
    »Sie meinen, schon damals, als Sie ihn zum ersten Mal gehört haben?«
    Britta Karlstadt nickte. »Vielleicht liegt es daran, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt aus gegebenem Anlass ziemlich intensiv mit Vornamen beschäftigt habe«, entgegnete sie, wieder mit diesem verschmitzten Lächeln, das Verhoeven überaus sympathisch fand. »Sie wissen ja, selektive Wahrnehmung oder so was in der Richtung. Und bei diesem Namen war mir in keiner Weise klar, ob es sich um einen Mädchen- oder um einen Jungennamen handelt.«
    Leider Gottes ist uns das auch noch nicht klar, dachte Verhoeven. Gleichzeitig fiel ihm eine gängige Redensart ein. Namen sind Schall und Rauch ...
    »Diese Doppeldeutigkeit fand ich irgendwie faszinierend.« Britta Karlstadt blickte verwundert auf ihren Sohn hinunter, der in ihrem Arm eingeschlafen war, kaum dass sie sich an den Tisch gesetzt hatte. Vielleicht überlegte sie, ob das Geheimnis zukünftiger Nachtruhe wohl in der einschläfernden Wirkung eines viel zu laut ratternden Kühlschranks lag und wie sie ihren Mann dazu bringen konnte, die kommenden Nächte mit einem Baby im Arm neben selbigem zu verbringen. »Die Faszination ging sogar so weit, dass ich den Namen nachgeschlagen habe. Nur um herauszufinden, was Sache ist.«
    Verhoeven nickte. »Würden Sie mir bitte noch einmal die Situation beschreiben, in der der besagte Name gefallen ist?«
    »Ja, sehen Sie, und hier gerate ich im Grunde schon ins Schwimmen«, antwortete die junge Mutter mit einem entschuldigenden Achselzucken. »Ich erinnere mich zum Beispiel nicht genau daran, wo ich gewesen bin. Nur, dass ich auf einmal eine Stimme hörte, die diesen merkwürdigen Namen nannte.« Sie fuhr sich mit der freien Hand durch ihre langen, ein wenig strähnig wirkenden Haare, die jedoch

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