Schattenriss
zu hören waren, er sich jedoch in keiner Weise darum gekümmert hat. Das fand die Zeugin irgendwie merkwürdig.«
Das ist es allerdings, dachte Verhoeven.
»Haben wir eine brauchbare Beschreibung von dem Kerl?«, fragte Goldstein.
Doch anstelle einer Antwort legte der Beamte ein weiteres Phantombild vor ihn auf den Couchtisch. Dieses Mal handelte es sich nicht um eine Zeichnung, sondern um das mittels eines entsprechenden Computerprogramms erstellte Brustbild eines Mannes mit kantigen, glattrasierten Zügen. Helles Haar, helle Augen. Dazu waren die Lippen des mutmaßlichen Schützen eXtrem schmal, ein Merkmal, das jedem Betrachter sofort ins Auge sprang.
»Die Zeugin schätzt das Alter des Betreffenden auf Ende dreißig bis Anfang vierzig«, erklärte der Beamte.
Also in etwa so alt wie Teja, schloss Verhoeven.
»Und sie konnte auch das Auto recht gut beschreiben. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Mazda 3, Modell Sport Exclusive. Die Fahndung nach dem Wagen läuft bereits.«
»Geklaut«, urteilte Goldstein mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Aber vielleicht haben wir Glück und er hat ihn irgendwo stehen lassen.«
Verhoeven betrachtete abermals den mutmaßlichen Schützen, dessen Phantombild neben der Zeichnung von der unbekannten Frau lag. Kein Zweifel, dachte er, allmählich bekommt die Sache ein Gesicht
»Soll das Bild an die Medien?«, erkundigte sich der Beamte aus Jüssens Team im selben Augenblick folgerichtig.
»Auf keinen Fall«, fauchte Goldstein ihn an. »Sonst werden diese Kerle noch nervöser, als sie ohnehin schon sind.«
Der Beamte hatte offenbar mit einer anderen Entscheidung gerechnet und blieb zögernd stehen.
»Ist noch was?«, fragte Goldstein.
»Ja. Was soll der Pressesprecher sagen, wenn die Meute auf ihn losgeht?«
»Nichts«, entgegnete der erfahrene Unterhändler mit einem überaus charmanten Lächeln. »Aber sorgen Sie dafür, dass er’s hübsch verpackt.«
13
Brutalo-Bernds geballte Faust traf Winnie Heller mit voller Wucht gegen das Kinn. Sie spürte, wie ihre Unterlippe platzte. Zugleich schmeckte sie Blut auf ihrer Zunge. Wer hat mich verraten? Wer, um alles in der Welt, hat mir das angetan? Und warum?
Der nächste Schlag traf sie gegen die Schläfe. Eine Welle von Schmerz zuckte durch ihren Körper wie glühende Lava, und auf einmal wusste sie, dass es vorbei war. Dass sie sterben würde, hier und jetzt. Zu Tode geprügelt von einem Psychopathen, der seine Schuhe mit dem Lineal ausrichtete.
Und alle sehen dabei zu .
Schmerz entsteht im Kopf, dachte sie noch, bevor der Raum um sie herum langsam zu kippen begann und ihr die Knie wegsackten. Im Grunde eine reine Nervensache. Eine Frage von Neurotransmittern, die ihre Arbeit tun. Oder eben nicht ...
Und schon wieder ein Schlag. Nein, ein Tritt. Dumpf. Fern. Ein Tritt in die Rippen.
»Aufhören! Sofort!«
Was?
»Sie wollte abhauen.«
»Natürlich wollte sie das.«
Alpha!
»Jeder in ihrer Situation würde das wollen.«
Winnie Heller blinzelte durch den Schleier, der sich über ihr Bewusstsein gebreitet hatte, und entdeckte den Anführer der Geiselnehmer direkt vor sich. Er hielt eine Pistole in der Hand. Aber die Mündung richtete sich nicht gegen sie. Sie zielte, im Gegenteil, auf Bernds voluminösen Brustkorb.
»Lass sie in Ruhe.«
»Sie ist Polizistin.«
»Na und?«
Bernds bullige Statur füllte sich mit unterdrücktem Ärger. »Ich traue ihr nicht.«
Alphas Blick wandte sich ihr zu und verweilte prüfend auf ihrem Gesicht. Dann wandte er sich wieder seinem Komplizen zu. »Du hast gehört, was ich gesagt habe. Und jetzt verschwinde.«
Winnie Heller sah, wie sich die Muskeln unter Bernds T-Shirt anspannten. Jede Faser seines Körpers machte deutlich, dass er sich nicht scheute, es auf eine kleine Kraftprobe mit seinem Komplizen ankommen zu lassen.
Alpha schien es zu spüren und legte nach. »Hast du nicht gehört? Verzieh dich!«
Bernd rührte sich nicht von der Stelle.
Wenn er sich jetzt nicht durchsetzt, hat er über kurz oder lang ein gravierendes Problem, dachte Winnie Heller, indem sie Alpha durch den Schleier ihrer Schmerzen hindurch beobachtete. Ein Stück hinter ihm stand der Junge, der ein paar Schritte zurückgewichen war und den Machtkampf zwischen seinen Leuten mit weit aufgerissenen Augen verfolgte. Und selbst auf die Entfernung wollte es Winnie Heller scheinen, als zittere er.
Das charakteristische Geräusch einer entsicherten Waffe ließ ihn
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