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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Augen verharrten mitten in einer Bewegung. »Was fehlt ihm?«
    »Es ist sein Herz«, antwortete Winnie Heller. »Er braucht so schnell wie möglich Medikamente, sonst stirbt er.«
    Der Anführer der Geiselnehmer sagte nichts.
    »Können Sie ...« Sie zögerte. »Ich meine, könnten Sie ihn nicht vielleicht gehen lassen?«
    »Nein.«
    Klare Sache. Mousa hat, genau wie wir anderen, zu viel gesehen. Folglich kann er auch zu viel verraten.
    »Aber er stirbt, wenn Sie es nicht tun.«
    Winnie Heller rechnete fest damit, dass der Anführer der Geiselnehmer etwas wie Tja, nicht zu ändern sagen würde. Doch Alpha schwieg.
    »Wer sagt, dass er stirbt, wenn er keine Medikamente bekommt?«, fragte er nach einer Weile.
    »Herrn Mousas Arzt«, antwortete Winnie Heller. »Und Frau Gorlow auch. Sie ist Krankenschwester.«
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Evelyn demonstrativ den Kopf abwandte. Ich habe hier gar nichts behauptet , Herzchen , sagte ihr Blick, der vor unterdrücktem Vorwurf nur so troff. Wie, um alles in der Welt, käme ich denn dazu?
    Alpha schien zu überlegen. Dann, nach einer Zeit, die Winnie Heller wie eine kleine Ewigkeit vorkam, stand er auf und ging zu Evelyns Matratze hinüber, auf der sich Jussuf Mousa unruhig hin und her warf. »Verstehen Sie mich?«, fragte er, indem er neben dem Kranken in die Hocke ging.
    Der kleine Araber blinzelte apathisch in das Licht der Taschenlampe, mit der der Entführer ihm ins Gesicht leuchtete. »Wie heißt das Medikament, das Sie brauchen?«
    »Ich ... weiß nicht.«
    »Was soll das heißen, Sie wissen es nicht?«, fragte Alpha, und die plötzliche Gereiztheit in seiner Stimme verriet, dass die Kraftprobe mit seinem Komplizen doch nicht so spurlos an ihm vorübergegangen war, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte.
    »Arzt geben Rezept«, keuchte Mousa. »Meine Frau holen Medizin. Ich ... lesen nicht, was ist der Name.«
    »Er hatte eine Ersatztablette bei sich«, schaltete sich Horst Abresch ein, der sich an der gegenüberliegenden Wand niedergelassen hatte. »Aber die war lose in einer von diesen Pillendosen für unterwegs.«
    Und wieder nahm sich Alpha ein paar Augenblicke Zeit zum Nachdenken. Winnie Heller dachte daran, wie behutsam er Iris Kuhns Leiche fortgebracht hatte. Und auch an die Szene, die erst ein paar Minuten zurücklag. Er ist ohne Zögern dazwischengegangen, als sein Komplize mich töten wollte, dachte sie. Er ist kein Unmensch. Vielleicht lässt er mit sich reden …
    Als sie eine Bewegung am Rand der Grube registrierte, nahm sie zuerst an, dass Bernd zurückgekommen war. Doch als sie hochsah, erkannte sie den vierten Geiselnehmer. Jenen Mann, der den Kassierer erschossen hatte und der darüber hinaus bislang noch bemerkenswert wenig in Erscheinung getreten war.
    »Es ist Zeit«, sagte er.
    Alpha blickte zu ihm hinauf und nickte. Dann erhob er sich aus seiner hockenden Position und wandte sich ab.
    Verdammt, dachte Winnie Heller mit einem besorgten Seitenblick auf den immer flacher atmenden Araber. Ich bin sicher, dass ich ihn beinahe so weit hatte! Sie bedachte den vierten Mann, der breitbeinig am Rand der Grube stand und auf seinen Komplizen wartete, mit einem wütenden Blick, während Alpha zielstrebig auf die Treppe zuging. Aber nach ein paar Schritten hielt er plötzlich inne, so als sei ihm eine Idee gekommen, und drehte sich noch einmal zu den Gefangenen in seinem Rücken um.
    »Wie heißt Ihr Hausarzt?«, fragte er, an Mousa gewandt. Winnie Heller beeilte sich, die Frage zu wiederholen, als sie mitbekam, dass der kleine Araber nicht reagierte.
    »Kreuzberg«, keuchte der Herzkranke. »Sein Name ist Dr. Kreuzberg.«
    »Gut«, sagte Alpha, und sein Ton verriet nicht, was er vorhatte. Dann fixierte er Winnie Heller durch den Sehschlitz seiner Sturmhaube und fügte hinzu: »Und dieses Mal bleiben Sie, wo Sie sind. Das gilt für alle. Falls Sie es nicht tun, werde ich Sie auf der Stelle erschießen.«
     
     
     

14
     
    Gegen halb fünf brachte Inger Lieson frischen Kaffee und eine Platte mit belegten Broten ins Wohnzimmer ihres Hauses, das mit all den Telefonen, Bildschirmen und anderen Hightech-Geräten, die Hubert Jüssens Leute installiert hatten, inzwischen fast wie eine gemütlichere Form der Einsatzzentrale aussah. Als die Bankiersgattin die Sachen auf dem Couchtisch abstellte, fiel ihr Blick zufällig auf Goldsteins Akte, und sie zuckte sichtlich zusammen. Verhoeven bemerkte es und wartete darauf, dass sie von sich aus etwas sagen würde,

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