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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Sie mir helfen.«
    »Helfen?« Die Aussage verblüffte Winnie Heller. »Wie und wobei?«
    Der Entführer antwortete nicht. Stattdessen fragte er: »Was glauben Sie, wer Ihren Ausweis genommen hat?«
    Winnie Heller antwortete, ohne lange über die Folgen nachzudenken. Sie handelte einfach aus dem Bauch heraus. »Malina.«
    Der Mann, den sie Alpha nannte, zuckte sichtlich zusammen. »Was wissen Sie darüber?«
    »Nichts, als dass Sie nach ihm suchen und dass Sie ihn in dieser Bank vermutet haben«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
    Er sah aus, als wenn er überlegen müsse, ob er ihr das glauben
    konnte.
    »Malina«, wiederholte sie, um die Chance auf ein Gespräch über dieses Thema, so gefährlich es auch werden konnte, nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, um die Karten auf den Tisch zu legen. Ganz egal, was daraus werden würde. »Das ist so eine Art Deckname, oder?«
    Alpha sagte nichts, aber sie konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, und wertete diesen Umstand als ein »Ja«.
    »Und was hat dieser Mann Ihnen getan?«
    Zuerst schien es, als würde der Entführer nicht antworten. Aber schließlich sagte er doch noch: »Er hat meine Mutter getötet.«
    Winnie Heller kniff die Augen zusammen. Er sagt die Wahrheit, dachte sie. Zumindest ist er wirklich überzeugt von dem, was er da von sich gibt. »Wie?«
    Doch dieses Mal erhielt sie keine Antwort.
    »Sie haben gedacht, Herr Lieson und Malina sind ein und dieselbe Person, nicht wahr?«, fragte sie, als sie sein Schweigen nicht mehr aushielt.
    Er nickte nur.
    »Aber das denken Sie jetzt nicht mehr?«
    »Nein, das denke ich jetzt nicht mehr.«
    Ahmte er sie nur nach, oder meinte er noch immer ernst, was er sagte? »Warum nicht?«
    »Namen ...«, setzte er an, doch er sprach den Satz nicht zu Ende.
    Winnie Heller wartete.
    »War die Matratze für Herrn Lieson bestimmt?«
    Der Anführer der Geiselnehmer lächelte. Ganz kurz nur, so wie die Sonne an einem trüben Tag manchmal für ein paar Sekunden durch die Wolken bricht und einen Hauch von Wärme über die Landschaft gießt, bevor sie sich wieder hinter die graue Wand zurückzieht. »Das haben Sie also auch durchschaut.«
    Es war eine Feststellung, keine Frage.
    Winnie Heller nickte trotzdem. »Und was wollen Sie mit ihm tun, wenn Sie ihn haben?«
    Sie formulierte das ganz bewusst so. Was wollen Sie mit ihm tun ... Er sollte das Gefühl haben, dass die Sache noch nicht verloren war. Zugleich überlegte sie fieberhaft, ob die Auslieferung Walther Liesons wohl zu den Forderungen gehörte, die er gestellt hatte. Falls er überhaupt welche gestellt hatte. Aber welchen Sinn machte es sonst, Geiseln zu nehmen?
    Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Aber er antwortete: »Ich glaube, ich hätte ihn nach dem Warum gefragt.«
    Winnie Heller registrierte den Konjunktiv mit Besorgnis. Jetzt, da sie schon etwas länger mit Alpha sprach und sich auf diese Weise ein Bild von seinem Intellekt machen konnte, war sie davon überzeugt, dass er nichts aus Zufall sagte. Ich hätte ihn nach dem Warum gefragt ... Sie sah wieder seine Augen an, in denen sich das Dunkel der Grube in ihrem Rücken zu spiegeln schien. War es wirklich Resignation, was sie da sah? Und warum fragte er sie, wer ihrer Meinung nach ihren Ausweis genommen hatte?
    Weil ihn irgendetwas davon überzeugt hat, dass er hinter dem Falschen her war , antwortete ihr Verstand. Und weil er vermutet, dass sich der Richtige unter den Personen befindet, die er gefangen hält. Unter euch ...
    »Wann war das?«, startete sie einen neuen Versuch, das Gespräch über dieses für sie so wichtige Thema am Laufen zu halten, wohl wissend, dass jede weitere Frage die Gefahr erhöhte, dass der Mann, den sie Alpha nannte, sie tötete.
    »Was?«
    »Wie lange ist es her, dass dieser Mann, den Sie suchen, Ihre Mutter umgebracht hat?«
    »Man kann tot sein, ohne zu sterben«, antwortete Alpha, und wieder klang er sehr überzeugt.
    Folglich ist seine Mutter noch am Leben, schloss Winnie Heller. Aber irgendetwas Schlimmes muss mit ihr passiert sein. »Was ist mit ihr geschehen?«
    Jetzt lächelte er wieder. »Fragen Sie das, weil Sie Polizistin sind?«
    »Ich frage es, weil es mich interessiert.«
    Er warf ihr einen seiner prüfenden Blicke zu, doch dieses Mal schien sie den unausgesprochenen Test nicht zu bestehen.
    »Es hat keinen Sinn mehr«, sagte er leise. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und

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