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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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ging weg.
    Er stellte keine weiteren Fragen. Er schickte sie nicht in die Grube zurück. Er ließ sie einfach stehen und ging mit der ruhigen Sicherheit eines Mannes, der eine wichtige Entscheidung getroffen hat, davon.
     
     
     

6
     
    Dieses Mal kam der Anruf des Entführers auf die Minute pünktlich.
    »Nun?«, fragte er. »Ist alles bereit?«
    »Ja«, antwortete Goldstein. »Wir haben Ihr Geld und einen Namen.«
    »Fein.«
    »Und? Wie geht es Ihnen?« Der Unterhändler sprach völlig neutral, aber der Subtext, der in dieser auf den ersten Blick so harmlosen Frage mitschwang, war eindeutig: Gestern ist Ihr Komplize erschossen worden. Ihr bester Freund obendrein. Das muss Sie doch eigentlich so richtig wütend machen, oder etwa nicht? Noch dazu, wo Ihnen Knast bis zum St.-Nimmerleins-Tag droht wegen der beiden toten Bankangestellten. Also sagen Sie mir, Freundchen: Wie fühlen Sie sich?
    »Ich hätte da eine bessere Frage.« Heute war er auf Angriff aus. Das war von der ersten Sekunde an deutlich zu spüren. Vielleicht auch auf Rache. Immerhin waren Andreas Barth und er seit Kindertagen unzertrennlich gewesen.
    Aber wenigstens hat er sich trotz allem gemeldet, dachte Verhoeven. Wenigstens haben wir noch immer Kontakt!
    »Lassen Sie hören.«
    »Angenommen, ich ließe Sie mit einer Geisel Ihrer Wahl sprechen ... Wen würden Sie wählen?«
    Falle!, blitzte es in Monika Zieraus Kohleaugen. Gib bloß Acht!
    »Hey, Unterhändler! Hat’s Ihnen die Sprache verschlagen oder brauchen Sie Bedenkzeit?«
    Der Tonfall, die Wortwahl – kein Zweifel, Maik Voigt imitierte Goldstein bis in die kleinste Nuance, und Verhoeven stellte verwundert fest, wie viel von diesen Gesprächen bei dem Geiselnehmer hängengeblieben war. Trotz des Stresses, unter dem er laut Aussage des Stimmenanalytikers stand. »Gesetzt den Fall, ich ließe Sie ... Mit wem würden Sie sprechen wollen?«
    »Schwer zu sagen ...«
    »Versuchen Sie’s.«
    »Es geht also bloß ums Quatschen, ja?«, hakte Goldstein nach. Vielleicht, weil er Zeit gewinnen wollte, um seine Antwort zu überdenken. »Nicht darum, wer als Erster freikommen soll?«
    »Genau.«
    »Warum fragen Sie mich so was?«
    Weil er dich testen will , flüsterten Monika Zieraus Lippen. »Weil ich wissen will, ob Sie mir die Wahrheit sagen.« Glauben Sie mir, ich habe eine Menge Erfahrung, was Lügen
    angeht ...
    »Was hätte ich davon, Sie anzulügen?«
    Maik Voigt lachte nur. Ein Lachen, dem man die Müdigkeit anmerkte. Aber auch die Entschlossenheit. Der beste Freund, den er je gehabt hatte, war tot. Also musste er allein weitermachen. So einfach war das.
    Verhoeven dachte an eine Diskussion, die sie noch in der Nacht geführt hatten. Unmittelbar nach der verpatzten Überwachung. Dabei waren sie auch auf die Medizin zu sprechen gekommen, die die beiden Geiselnehmer hatten besorgen wollen. Jussuf Mousas Herzmittel.
    »Er holt das Medikament nicht«, hatte Monika Zierau mit kategorischer Entschiedenheit erklärt. »Sein Freund ist tot. Voigt selbst hat seinen Wagen stehen lassen müssen und ist seither zu Fuß unterwegs. Da hat er mit Sicherheit andere Sorgen, als in eine Apotheke zu rennen.«
    »Ich weiß nicht«, hatte Goldstein gesagt und dabei Verhoeven angesehen. »Wie schätzen Sie die Sache ein?«
    Verhoeven hatte sich gefragt, warum der Unterhändler ausgerechnet an seiner Meinung interessiert war. Ob Goldstein vielleicht auf diese Weise versuchte, in ihm einen Verbündeten zu gewinnen gegen die Profilerin, die so oft anderer Ansicht war und damit auch nicht hinter dem Berg hielt. Oder gar gegen eine Meuterei, zu der Werner Brennicke sie oder die anderen vielleicht aufstachelte.
    »Na?«, hatte Goldstein gedrängt, als ihm die Zeit zu lange gedauert hatte.
    Und Verhoeven hatte geantwortet: »Dass Maik Voigt überhaupt versucht hat, die Medizin für Jussuf Mousa zu besorgen, spricht meiner Meinung nach dafür, dass ihm eine tote Geisel mehr oder weniger nicht gleichgültig ist. Er hat einen hohen Preis dafür bezahlt, an das Rezept zu kommen. Und wenn er dieses Rezept jetzt nicht einlöst und Mousa stirbt, dann hätte er diesen Preis vollkommen umsonst gezahlt.«
    Goldstein hatte Verhoevens Argumenten aufmerksam gelauscht und anschließend allen diensthabenden Apotheken der näheren Umgebung Bescheid geben lassen. Allerdings war nichts dabei herumgekommen: In keiner Wiesbadener oder Mainzer Apotheke war das betreffende Medikament verlangt worden.
    »Sie haben meine Frage noch nicht

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