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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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er seinem Sprössling zu, ihn hinters Licht zu führen.
    »Ja«, bestätigte Verhoeven. »Verzeihen Sie, dass ich Sie in Ihrem wohlverdienten Feierabend störe, aber ich muss zu einem dringenden Einsatz, und meine Frau ist leider noch an der Uni. Na ja, und da dachte ich ... Könnte Nina vielleicht ...«
    »Aber sicher doch, selbstverständlich«, versicherte Dominiks Vater, ohne sich den Rest von Verhoevens dahingestammelter Bitte anzuhören. »Sie können Nina jederzeit vorbeibringen, wir sind den ganzen Abend zu Hause. Oder ...« Er zögerte einen Augenblick. »Oder wäre es Ihnen vielleicht lieber, wenn ich sie abhole?«
    »Nein danke, nicht nötig«, versicherte Verhoeven mit einem Gefühl elementarer Erleichterung. »Es liegt ohnehin auf dem Weg.«
    »Gut, dann also bis gleich.«
    »Ja«, sagte Verhoeven, indem er seine Jacke und Ninas dunkelblauen Mantel von der Garderobe riss. »Und vielen Dank, dass Sie ...«
    »Aber ich bitte Sie«, unterbrach Adrian Rieß-Semper ihn erneut. »Das ist doch selbstverständlich.«
     
     
     

7
     
    Die Männer benutzten starke Taschenlampen, mit denen sie ihren Geiseln direkt ins Gesicht leuchteten. Und selbst noch durch ihre fest geschlossenen Lider hindurch konnte Winnie Heller die gleißende Helligkeit sehen, die rot und aggressiv hinter den dünnen Häutchen glühte.
    Auf Alphas Geheiß hin drängten sie sich gegen die Rückwand des Vans wie eine Horde verschreckter Rinder. Körper an Körper. Bein an Bein. Die Luft im Inneren des Transporters war trotz der geöffneten Schiebetür mit einem Mal zum Schneiden dick und reichte kaum zum Atmen.
    Winnie Heller kämpfte mit einem Anflug von Übelkeit, als sie ganz in ihrer Nähe einen intensiven Schweißgeruch wahrnahm. Dazu auch Parfum. Irgendetwas reichlich Herbes, vermutlich ein Aftershave. Oder einer von diesen Unisex-Düften, die an jedem, der sie benutzte, anders rochen. Sie schluckte, bemüht, sich in der Enge des Vans auf den Beinen zu halten. Jemand trat ihr auf den Fuß, doch sie verspürte keinen Schmerz. Nicht einmal Überraschung. Zu sehr waren all ihre Sinne auf das Licht konzentriert, das sie abschnitt von der Welt jenseits der Schiebetür und von dem, was es dort vielleicht zu sehen gab.
    Diese Kerle sind verdammt gut vorbereitet, dachte sie einmal mehr. Und das macht die Sache, verflucht noch mal, nicht einfacher!
    Im selben Moment polterten die Schritte ihrer Entführer herein, und der Van erzitterte unter der Wucht, mit der die Männer zu Werke gingen. Eine der Taschenlampen kam direkt auf Winnie Heller zu, und sie wandte trotz ihrer noch immer geschlossenen Augen instinktiv den Kopf zur Seite. Doch alles Ausweichen nützte nichts. Eine Hand packte sie am Oberarm und ihr Körper wurde herumgerissen. Es war eine herrische, unnötig grobe Geste, die sie nur mit äußerster Mühe ertrug, ohne zumindest den Versuch zu unternehmen, sich zu wehren. Dann ein Geräusch, direkt an ihrem linken Ohr. Ein Ratschen. Noch immer dicht bei ihr. Zu dem Geräusch, das sie nicht verstand, gesellte sich ein neuer Geruch. Zäh. Und irgendwie auch chemisch ... Paketklebeband!
    »Bitte nicht!«, quiekte die Dicke mit dem Einkaufsroller.
    Da spürte Winnie Heller bereits Plastik auf ihrem Gesicht. Es wand sich um ihren Kopf wie eine knisternde Schlange, und das erste, was sie dachte, war, dass sie unter Garantie einen neuen Haarschnitt brauchen würde, wenn sie diese Sache hinter sich hatte. Falls da überhaupt noch etwas zu retten war. Der Gedanke erfüllte sie unvermittelt mit einem Gefühl elementarer Wut. Was bildeten sich diese verdammten Scheißkerle eigentlich ein?
    Ehe sie reagieren konnte, stieß die Hand, die die ganze Zeit über wie ein Schraubstock um ihren Oberarm gelegen hatte, sie zur Seite, Winnie Heller verlor das Gleichgewicht und prallte gegen etwas Scharfkantiges, das sich in ihre Rippen bohrte und ihr einen quälenden Moment lang die Luft abschnitt. Den Atem. Erschrocken riss sie den Mund auf, während sich Tränen des Schmerzes und der Anstrengung hinter dem steifen Plastik sammelten. In ihren Augäpfeln begann es zu pochen, und Winnie überlegte, ob Augen von nicht geweinten Tränen platzen konnten.
    Noch während sie, halb auf Knien, halb gegen irgendetwas undefinierbar Weiches gelehnt, versuchte, ihr verlorenes Gleichgewicht zurückzugewinnen, wurde sie abermals am Arm gepackt.
    »Los, raus mit dir!«
    Eine neue Hand. Und eine neue Stimme.
    Eine, die erstaunlich jung klang, wie Winnie Heller mit einer

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