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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Taschenlampe hatte inzwischen den bleichen Araber ins Visier genommen, dessen Teint in dem aggressiven Licht fast grün wirkte.
    »Und du?«
    Der Angesprochene hob zögernd den Blick, und blanke Angst lag auf seinen Zügen, als er mit heiserer Stimme antwortete: »Mousa, Jussuf.«
    Winnie Heller konnte das Gesicht hinter der Taschenlampe nicht genau erkennen, aber sie hatte das dringende Gefühl, dass der Mann im hellen Mantel grinste. Es macht ihm Spaß, dachte sie. Dieser verdammte Scheißkerl genießt seine Macht! Fragt er uns deshalb, wer wir sind? Ist er einer der wenigen, die wissen wollen, wen sie abknallen?
    »Verzeihung ... ich ...«
    Iris Kuhn!
    »Könnten wir vielleicht etwas zu trinken bekommen ... bitte?«
    Die Taschenlampe erfasste das Gesicht der brünetten Bankangestellten, die noch immer an der Wand lehnte und mit bemerkenswert unerschrockenem Blick direkt in den grellen Lichtstrahl blickte. Der Mann im Mantel hatte sie übergangen, was Winnie nicht weiter gewundert hatte. Schließlich kannten die Geiselnehmer den Namen der Kassiererin bereits aus der Bank.
    »Was meinst du?«, fragte der Mann vom Grubenrand, und selbst auf die Entfernung konnte Winnie Heller das kalte Glitzern seiner Augen erkennen. Irgendwas stimmt nicht mit diesem Typen, dachte sie unbehaglich. Ich an ihrer Stelle würde mich vorsehen.
    »Entschuldigung, aber ... ich ... Ich habe entsetzlichen Durst«, antwortete die Kassiererin, indem sie einen Schritt vortrat und sich mit fragendem Blick nach ihren Mitgefangenen umsah, vielleicht, weil sie hoffte, dass einer der anderen sie in ihrer durchaus nicht unberechtigten Bitte unterstützen würde. »Könnten Sie ... Ich meine, würde es Ihnen etwas ausmachen, uns etwas zu trinken zu geben?«
    Aller Bedenken zum Trotz verspürte Winnie Heller das dringende Bedürfnis, der Bankangestellten zu Hilfe zu kommen. Etwas zu sagen. Sich einzumischen. Aber irgendetwas hielt sie davon ab. Ein Instinkt, der ihr sagte, dass es unklug wäre, schon jetzt als Gruppe in Erscheinung zu treten. Die Entführer durften nicht zu früh auf den Gedanken kommen, dass in der Überzahl der Geiseln möglicherweise auch eine Chance lag. Eine Chance, dachte Winnie, die wir nutzen können, wenn wir es klug anstellen.
    Sieben auf einen Streich ...
    Der Mann im hellen Mantel, der für ein paar kurze Augenblicke in dem schummrigen Licht hinter dem Grubenrand verschwunden war, trat an die Eisentreppe, wo er ein paar Sekunden vollkommen regungslos verharrte. Winnie Heller sah seine Schultern, die trotz seiner wuchtigen Statur straff und austrainiert wirkten. Dann erzitterten die rostigen Stufen unter dem Klang seiner Tritte. Genau wie seine Komplizen trug er eine Art Sturmhaube, die den größten Teil seines Gesichts verdeckte. Trotzdem war deutlich zu erkennen, dass er helle Augen hatte. Blau wahrscheinlich. Oder Grau. Und voller Schrecken registrierte Winnie Heller auch die mitleidlose Leere, die in diesen Augen lag.
    Der Mann hielt einen Aluminiumbecher in der Hand. Schutt und Glassplitter knirschten unter seinen Lederschuhen, als er langsam quer durch die Grube kam und direkt vor der brünetten Bankangestellten stehen blieb. Er musterte sie einen kurzen Moment abschätzig, dann streckte er ihr den Becher entgegen.
    Iris Kuhn zögerte.
    Etwas, das Winnie Heller durchaus verstehen konnte.
    »Ich denke, du hast Durst«, sagte der Mann, der den Mantel so perfekt ausfüllte, als sei dieser eigens für ihn geschneidert worden. Er hielt den Becher jetzt so, dass er nur Millimeter vor dem Busen der Bankangestellten schwebte.
    Dennoch widerstand Iris Kuhn der Versuchung, einen Schritt zurückzuweichen. In ihren Katzenaugen lag allerdings nicht mehr trotzige Entschlossenheit, sondern Angst und Argwohn.
    Na mach schon, flüsterte Winnie Heller der Bankangestellten in Gedanken zu. Egal, was es ist, trink es, gib ihm den Becher wieder und spiel hier auf keinen Fall die Heldin, okay? Schon gar nicht bei diesem Typen!
    Die Finger der Kassiererin zitterten leise, als sie nach quälend langen Sekunden des Abwartens endlich nach dem Becher griff. Sie warf einen kurzen Blick hinein und setzte das Gefäß dann mit sichtlichem Widerwillen an die Lippen, die einmal sorgfältig geschminkt gewesen waren, inzwischen aber bleich und ausgetrocknet wirkten. Das Aluminium schimmerte im Licht der Taschenlampe wie flüssiges Silber, als die Bankangestellte den Kopf zurückbeugte und ein paar vorsichtige Schlucke nahm.
    Winnie Heller versuchte, an

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