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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Glock bedroht. Aber soweit wir informiert sind, handelt es sich dabei um eine 18 C.«
    »Weeß ick doch«, entgegnete Dr. Gutzkow lapidar. »Deshalb dacht’ ick ja eben, die Sache könnte Sie interessieren.«
    Verhoeven straffte die Schultern, als ihm schlagartig klar wurde, dass die Gerichtsmedizinerin ganz bewusst den normalen Dienstweg umgangen hatte, um ihn so früh wie möglich mit Informationen zu versorgen, die von der zuständigen Stelle noch gar nicht abgesegnet waren. »Die 18 C verwendet ausschließlich Neun-Millimeter-Kaliber«, sagte er hastig, um seine Verlegenheit über dieses durchaus nicht gefahrlose Entgegenkommen der Pathologin zu überspielen. »Was bedeutet, dass beide Entführer zusätzlich zu ihrer MP auch noch eine normale Pistole bei sich trugen.«
    »Und dass der Kerl, der Ihre Kassiererin bedroht hat, nicht derjenige ist, der Albert Schweh getötet hat«, ergänzte Dr. Gutzkow. »Na ja, ick dachte, det is ja vielleicht nich janz unwichtig. Ick meine, wenn es irjendwann mal darum jeht, zu verhandeln.«
    Sie hat recht, dachte Verhoeven, weil wir damit genau sagen können, welcher der Männer die Grenze überschritten hat. Wir wissen ab sofort, welcher von beiden ein Mörder ist. Und wem wir gegebenenfalls einen Deal anbieten können ...
    »Bleibt bloß zu hoffen, dass sich die Kerle jetzt bald mal bei Ihnen melden, wa?«, riss ihn Dr. Gutzkows raue Stimme aus seinen Überlegungen.
    »Ja«, sagte Verhoeven. »Und haben Sie vielen Dank.«
    »Ick bitt’ Sie«, knurrte die Pathologin, die nun ihrerseits ein wenig verlegen schien. »Wofür denn?«
    »Du, sag mal«, setzte Bredeney gewohnt umständlich an, nachdem Verhoeven das Gespräch mit der Pathologin beendet hatte. »Müssten wir nicht eigentlich auch Winnies Eltern informieren?«
    Doch bevor Verhoeven Gelegenheit zu einer Antwort hatte, schüttelte Werneuchen neben ihm bereits den Kopf. »Vergiss ihre Eltern.«
    »Warum?«
    »Weil sie nicht mehr miteinander sprechen.«
    Bredeney verzog sein pockennarbiges Gesicht, und auch Verhoeven blickte den hoch gewachsenen Kollegen erstaunt an.
    »Soweit ich weiß, hat Winnie keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern«, erklärte Werneuchen, dem die gespannte Aufmerksamkeit seiner beiden Kollegen nicht ganz geheuer war. »Schon seit längerem nicht.«
    »Und woher willst ausgerechnet du so was wissen?«, fragte Bredeney mit einer Mischung aus Anerkennung und Neid.
    »Weil sie mir gesagt hat, dass ich ihre Mutter nicht mehr durchstellen soll.«
    »Wann hat sie das gesagt?«
    »Ist schon ’ne Weile her.« Werneuchen legte seine hohe, sanft gewölbte Stirn in Falten, während er nachdachte. »Ich glaube, kurz nachdem ihre Schwester gestorben ist. Aber ganz sicher bin ich nicht.«
    Verhoeven nickte und dachte an einen trüben, schneeträchtigen Spätnachmittag im November.
    Damals hatten Winnie Heller und er einander erst ein paar Tage gekannt, aber er hatte es trotzdem für seine Pflicht gehalten, an der Beerdigung ihrer Schwester teilzunehmen. Nicht zuletzt, weil er durch Zufall dabei gewesen war, als seiner Kollegin die Todesnachricht überbracht worden war. Während der Trauerzeremonie hatte er freilich erst einmal vergeblich nach Winnie Heller Ausschau gehalten und schon fast angenommen, sie habe es tatsächlich fertig gebracht, dem Begräbnis ihrer eigenen Schwester fernzubleiben. Aber dann hatte er sie schließlich doch noch entdeckt. Ganz allein, mit Frost im Gesicht und einer lachsfarbenen Rose in den bloßen Händen, hatte sie unter einer Gruppe von Bäumen gestanden und gewartet, bis ihre Eltern gegangen waren. Und erst, nachdem deren dunkel gekleidete Rücken durch das Haupttor verschwunden waren, war sie gekommen, um Abschied zu nehmen. Schon damals hatte Verhoeven einen Blick in die tiefe Kluft werfen können, die zwischen seiner Partnerin und ihren Eltern lag, und selbst wenn er sie nie explizit nach dem Grund des Zerwürfnisses gefragt hatte, war er ins geheim doch überzeugt, dass der Bruch mit Winnie Hellers Schwester zusammenhing. Mit dem, was Elli Heller vor langer Zeit geschehen war ...
    »Trotzdem«, sagte Bredeney, der sich mit Werneuchens Erklärungen nicht so einfach zufriedengeben wollte. »Kind bleibt Kind, oder nicht?«
    Verhoeven schüttelte den Kopf. »Das sehe ich anders.«
    »Und wie?«, fuhr der alte Weggefährte seines Mentors auf.
    »Unter den gegebenen Umständen wäre es Winnie ganz bestimmt nicht recht, wenn wir uns zu einem so frühen Zeitpunkt an ihre Eltern wenden

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