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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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den Weg gegeben hatte, kaum dass er sich zum Bau eines Gartenteichs entschlossen hatte: Man muss ganz genau Bescheid wissen, sonst macht man alles falsch, und dann sterben die Fische. Er blätterte ziellos durch die Seiten, während seine imaginäre Tochter mit naturwissenschaftlichem Kindereifer fortfuhr: Die Fische sterben, wenn es das falsche Wasser ist. Oder wenn es zu warm ist. Oder wenn das Wasser zu schmutzig ist …
    »Hey, Moment mal, wir haben beide gleich von Anfang an gesagt, dass wir rein gar nichts von diesen Viechern verstehen und auch nichts davon verstehen wollen«, setzte Bredeney, der sich ganz offenbar angegriffen fühlte, derweil zu einer flammenden Verteidigungsrede an, in die er Werneuchen ganz selbstverständlich einschloss. »Wir wollten einfach nur behilflich sein. Aber wenn du lieber allein vor dich hinpfuschst ...«
    »Schon gut, schon gut«, beeilte sich Verhoeven, den alten Weggefährten seines Mentors zu beschwichtigen. »Dank dir.« Bredeney ließ ein versöhnliches Knurren hören.
    »Aber, sag mal, was ist denn nun eigentlich mit Lübke?«, fragte Verhoeven. »Habt ihr den inzwischen erreicht?«
    »Leider geht er noch immer nicht an sein Handy«, antwortete Bredeney mit einem bedauernden Kopfschütteln. »Und in seiner Laube sind angeblich sämtliche Rollläden heruntergelassen.«
    Verhoeven sah hoch. »Wer sagt das?«
    »Einer seiner Mitarbeiter, der vorhin dort vorbeigefahren ist.«
    »Denkst du, dass Lübke verreist ist?«, fragte Verhoeven, obwohl ihm diese Möglichkeit vollkommen absurd vorkam.
    »Seine Leute rätseln auch«, entgegnete Bredeney. »Geplant war in dieser Richtung nichts, und eigentlich hätte Lübke auch am Montag wieder ganz regulär Dienst gehabt. Aber vorhin hat er plötzlich in der Zentrale angerufen und erklärt, dass er die ganze nächste Woche Urlaub nehmen will.«
    »Urlaub?« Verhoeven starrte den altgedienten Kollegen entgeistert an. »Jetzt?«
    »Warum nicht?«, fragte Bredeney achselzuckend. »Bis zu dieser Geiselnahme ist nicht allzu viel los gewesen. Und bei all den Überstunden, die ein Arbeitstier wie Lübke übers Jahr so anhäuft ...« Er ließ den Satz offen und sah Verhoeven an.
    »Wer könnte wissen, wo man ihn erreichen kann?«
    »Gütiger Gott, du kennst ihn doch«, erwiderte Bredeney. »Nach außen hin kumpelt er mit allen rum, und andererseits bleibt er immer irgendwie für sich.«
    Seltsam, aber genau dasselbe könnte man auch über Winnie sagen, dachte Verhoeven mit einem raschen Blick auf den Schlüsselbund in seiner Hand. Und weiter: Vielleicht ist es doch nicht so verwunderlich, dass die beiden sich gut verstehen.
    »Jensen hat sich allerdings mal ein bisschen umgehört.« Oskar Bredeney machte ein Gesicht wie ein Kartenspieler, der ausgerechnet dann einen Trumpf aus dem Ärmel zu ziehen verstand, wenn alle Welt bereits felsenfest von seiner unmittelbar bevorstehenden Niederlage überzeugt war. »Die Damen aus dem Vorzimmer der Abteilung meinen, es gäbe da diese Frau, mit der er sich ab und an trifft.« Bredeney streute eine viel sagende Pause ein, bevor er in seine Manteltasche griff und einen zerknitterten Zettel heraus zog. »Das hier ist ihre Nummer.«
    Verhoeven nahm das Papier entgegen. Darauf hatte irgendjemand in einer krakeligen Männerschrift einen nackten Vornamen notiert. MARIE. Neben dem Namen stand eine Festnetznummer mit Wiesbadener Vorwahl.
    »Ich hab’s schon ein paar Mal versucht«, kam Bredeney seiner Frage zuvor, »aber die Dame ist anscheinend nicht zu Hause. Und sie hat auch kein Band.«
    Verhoeven faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in die Brusttasche seines Jacketts. Er konnte sich noch immer nicht recht vorstellen, dass Hermann-Joseph Lübke irgendeine herausragende Rolle im Leben seiner Partnerin spielen sollte. Zugleich empfand er eine große Verunsicherung darüber, dass es ihnen einfach nicht gelingen wollte, den obersten Spurensicherer zu erreichen.
    »Und wie weit seid ihr inzwischen?«, riss Oskar Bredeneys brüchige Stimme ihn aus seinen Gedanken.
    Das Gefühl von Verunsicherung verstärkte sich. »Wir kämpfen buchstäblich an allen Fronten.«
    Bredeney nickte nur. »Steht denn das Geld schon bereit?«
    Ich fürchte, das ist nicht der Punkt , murmelte Goldstein hinter Verhoevens Stirn. Schon deshalb, weil wir die zweite Forderung der Entführer nicht erfüllen können.
    »Das Geld ist nicht das Problem.«
    Bredeney musterte ihn mit der geballten Erfahrung von achtunddreißig Dienstjahren.

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