Schattenschmerz
spüre.»
Steenhoff sah ihn nachdenklich an. «Wenn das in den nächsten 14 Tagen nicht besser wird, solltest du mit unserem Polizeiseelsorger sprechen. Oder mit einem Psychologen. Schieb das nicht auf die lange Bank, Martin.»
Er brachte Möller zur Tür. «Wir werden morgen mit der Vernehmung deiner Leute anfangen.»
«Das ist euer Job», sagte Möller knapp und deutete mit der Hand einen Gruß an. Dann lief er die Stufen des Treppenhauses hinunter.
Durch das Fenster seines Büros sah Steenhoff, wie der stellvertretende Revierleiter mit hochgezogenen Schultern zum Auto zurückging. Ein Kripobeamter kam Möller entgegen, der in seiner Zeit als Schutzpolizist viele Jahre mit ihm in der Neustadt zusammen Dienst gemacht hatte. Der Kollege winkte. Aber Möller schien ihn nicht zu bemerken. Verwundert schaute ihm der Mann hinterher.
Als der stellvertretende Revierleiter vom Hof des Präsidiums fuhr, wusste Steenhoff, was er vergessen hatte zu fragen. Zwei an der Suchaktion beteiligte Schutzpolizisten hatten ausgesagt, an dem Morgen drei junge Radfahrer am Westeingang des Parks gesehen zu haben. Die zwei Männer, die in Begleitung einer jungen Frau waren, hatten mehrfach nachgefragt, was denn im Park los sei. Die Polizisten schätzten ihr Alter auf 19 Jahre. Unwahrscheinlich, dass das Trio irgendetwas mit der Tat zu tun hatte. Aber vielleicht konnten sie sich an jemand Verdächtiges erinnern. Leider hatte sich niemand ihre Personalien notiert, und Petersen war bei der Suche nach der Wohngemeinschaft, in der einer von ihnen angeblich wohnte, noch nicht erfolgreich gewesen. Steenhoff hoffte, dass die Radfahrer sich nach den Berichten in den Medien als Zeugen zur Verfügung stellen würden.
Nach der Pressekonferenz ließ sich Steenhoff am späten Abend noch von Lars Diepenau informieren, wie die Journalisten auf die Neuigkeiten reagiert hatten. Fast zwei Stunden hatte die Konferenz gedauert. Dann war endlich auch der letzte Kameramann verschwunden.
«Die Medienleute haben natürlich darauf herumgeritten, dass die Feuerwehr zuvor von einem Unbekannten gewarnt worden war», sagte der Polizeisprecher ernst.
Steenhoff zuckte mit den Schultern. Er konnte es den Journalisten nicht verübeln. Die Freigabe des Parks war ein Fehler gewesen. Der Tote und sein schwerverletzter Kollege waren der traurige Beweis dafür. Steenhoff hoffte für Martin Möller, dass die Warnung des Attentäters an dem Holzpfosten nicht so deutlich ausgefallen war wie dessen Anruf bei der Feuerwehr. Wenn sich das Schreiben überhaupt als Bekennerbrief herausstellte.
Noch wussten die Medien nichts von den Papierschnipseln, die Gerhard Marlowski mit seinen Kollegen am Tatort gefunden hatte. Sollten die Einsatzkräfte in der Nacht das Offensichtliche übersehen haben, hätten sie den Tod eines Unschuldigen mit zu verantworten. An den Skandal, den ein solches Versäumnis auslösen würde, mochte Steenhoff nicht mal ansatzweise denken.
Nach dem Gespräch mit dem Polizeisprecher setzte sich Steenhoff mit Petersen zusammen, und sie entwarfen einen vorläufigen Plan, wie die Sonderkommission am nächsten Tag weiterarbeiten würde. Es galt, knapp 30 Beamte möglichst effektiv einzusetzen. Sie verabredeten sich am nächsten Tag um 8 Uhr im Präsidium.
Spätnachts fuhr Steenhoff schließlich nach Hause.
Er schloss die Wohnungstür auf und sah sofort, dass das Lämpchen auf dem Anrufbeantworter blinkte. Noch bevor er seine Jacke ausgezogen hatte, drückte er auf Wiedergabe. Eine Frauenstimme. Es knackte. Die ersten Worte waren schwer zu verstehen, aber es war nicht Ira.
«… ich hoffe, es hat dir gefallen. Vielleicht können wir ja mal etwas zusammen daraus brutzeln. Meld dich doch mal, wenn du wieder in Hamburg bist. Tschüs.»
Die Stimme hatte einen angenehmen Klang. Er spulte das Band noch einmal zurück. Wieder knackte es an der entscheidenden Stelle, an der die Anruferin ihren Namen nannte. Erst beim dritten Mal verstand Steenhoff ihren Vornamen: Chris.
Er runzelte die Stirn. Was fiel Chris Lorenz, der Hamburger Physiotherapeutin, ein, bei ihm zu Hause anzurufen?
Steenhoff ging in sein Arbeitszimmer und zog zwischen ein paar Büchern über Jazzmusik ein Kochbuch aus dem Regal. Er schlug die erste Seite auf und las die Widmung:
Lieber Frank,
wenn die Portionen zu groß bemessen sind, schlag Alarm. Ich helfe gern in allen lukullischen Notlagen. Chris.
Sie hatte ihm das Päckchen zum Geburtstag ins Präsidium geschickt. Für
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