Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
einen Blick in die Tiefe. Alles, was ich sah, war Schwärze, von einer Bodenlosigkeit, die mir vorgaukelte, blind geworden zu sein. Dann bemerkte ich die Bewegung, als würden Wassermassen sich geschmeidig ineinanderschieben und dabei ein verschlungenes Muster ergeben. Als wäre das Schwarz an einigen Stellen dichter als an anderen. Ein Knäuel. Ungläubig blinzelte ich in den Abgrund, während eine andere aufsteigende Wasserschicht an mir zu reißen begann. Dieses Mal ging es hinab, auf das schwarze, sich windende Knäuel zu. In diesem Moment begriff ich, was sich dort unten in Bewegung gesetzt hatte: ein riesiger glatter Leib, dessen Ausmaße imstande waren, einen Mahlstrom auszulösen. Und zwar mit uns im Zentrum des Sogs, wobei der sekündlich zunehmende Sog noch unser kleinstes Problem war.
Wenn du jetzt nicht sofort diese verfluchte Figur loslässt, werden
wir beide im Maul einer riesigen Meeresschlange landen, du sturer Grieche , schleuderte ich Kastor entgegen.
Er zuckte zusammen, als hätte ich ihn geschlagen. Vermutlich hatte sich meine Nachricht auch genauso angefühlt. Sichtlich verzweifelt presste er die Lippen aufeinander, während er ohne meine Hilfe immer weiter sank.
Ich muss ihn retten, bitte!
Ich riskierte noch einen Blick hinab, wo sich gerade der schwarz glänzende Schlangenleib zu einem Bogen aufbäumte, dessen höchster Punkt bereits das Wasser, das vom durch die Oberfläche brechenden Licht grün gefärbt war, erreichte. Die Ausmaße dieses Bogens hielten zu meinem Entsetzen mühelos mit einer Brücke mit. Und damit meine ich nicht die zierlichen Dinger im Park, sondern über breite Flüsse gebaute Brücken. Wie der dazugehörige Rest aussah, der sich gerade noch aus der Tiefe emporarbeitete, wollte ich lieber nicht wissen. Ich schluckte, dann verschwendete ich keine weitere Sekunde, sondern kämpfte gegen den Wasserwiderstand an, als ginge es um mein Leben. Und das tat es auch.
Von dem erstarrten Meer, in das ich eingedrungen war, war keine Spur mehr zu entdecken. Stattdessen tobte das Wasser um uns herum, als wären wir vor den Klippen von St. Martin ins Meer getaucht. Immer wieder befürchtete ich, die Orientierung zu verlieren, denn das Funkeln des Wasserspiegels ging in dem Durcheinander, das die aufsteigende Schlange hervorrief, verloren.
Neben mir büßte Kastors rotes Leuchten verdächtig an Kraft ein und noch ehe ich meine düstere Ahnung formulieren konnte, verloren seine Finger den Halt um die Figur, die uns bislang wie ein Bindeglied zusammengehalten hatte. Augenblicklich ließ auch ich auf meiner Seite los, damit ich Kastors ausgestreckte Hand zu fassen bekam. Doch Kastor scherte sich nicht um meine Bemühungen, sondern machte
Anstalten, der Figur hinterherzutauchen. Obwohl das Wasser vor meinen Lippen kein Geräusch zuließ, fluchte ich aufgebracht und tauchte nun ebenfalls, um die Figur wieder zu fassen zu bekommen. Mit der einen Hand packte ich sie schließlich und mit der anderen griff ich Kastor beim Nacken, der bereits an der Figur hing, ohne noch genug Kraft zu haben, sie auch nur einen Deut emporzuhieven.
Auch meine Glieder wollten den Kraftakt nicht länger meistern, sie schmerzten, als wären sie in Brand gesetzt, und wurden gleichzeitig taub für meine Befehle. In meiner Verzweiflung gab ich nach. Dann musste ich eben eine andere Kraftquelle finden. Zwar hatte ich kein Schwert an meiner Seite, das mir den Zugang zu der gebündelten Macht in meinem Inneren erleichterte. Aber der feste Wille, nicht als Schlangenfutter zu enden, erwies sich auch als passabler Wegweiser. Die Quelle in mir öffnete sich und ihre Energie strömte durch mich hindurch, erst angenehm weich, dann rasch an Schärfe zulegend. Plötzlich bereute ich es, mich für diesen Weg entschieden zu haben, denn die Energie fand außer meinem Körper nichts, um sich zu manifestieren. Die vollkommen aufgezehrte Klinge meines Schwertes kam mir in Erinnerung, dann war da nur noch Platz für Schmerz, der dröhnend durch mich hindurchfuhr und nach einer Möglichkeit suchte, Form anzunehmen.
Unter uns ertönte der Schrei der Meeresschlange, dieses Mal jedoch aus verstörender Nähe.
Obwohl jede Regung den Schmerz in meinem Körper verschlimmerte, sah ich hinab. Zuerst konnte ich nur ein goldenes Strahlen wahrnehmen. Ich brannte so hell wie eine Fackel. Ich hatte mich zum best-sichtbaren Ziel für dieses Monstrum verwandelt. Dann entdeckte ich den schwarzen Pfeil, der aus der Tiefe auf mich zuschoss, mit
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