Schattenseelen Roman
können nichts mehr für sie tun. Unsere Hilfe kommt zu spät.
Roland legte eine Hand an die Wand. Sein Gesicht erblasste. Es sind noch andere hier. Wir müssen sie fortbringen!
Adrián nickte. Zumindest sollten sie es versuchen. Gleich darauf ertönte Marias Befehl: Rückzug! Conrad hat eine Verbindung zu mir aufgebaut. Er sagt, es sei eine Falle! Wir wurden reingelegt.
Adrián erstarrte. Umkehren? Jetzt, wo sie so nah am Ziel waren?
Alle raus da. Sofort!
Adrián, Nikolai, Roland und Stella schauten einander an, dann streiften ihre Blicke die Metalltüren des Ganges. Die anderen Gefangenen den Todesqualen überlassen? Das durfte Maria doch nicht von ihnen verlangen. Und was, wenn Evelyn sich hinter einer dieser Türen befand? Er konnte nicht zurück, nicht jetzt.
Doch. Wieder Maria. Es ist ein Hinterhalt, Adrián. Die Metamorphe wissen von dem Angriff.
Durch wen?
Es ist nicht an der Zeit, darüber zu diskutieren. Ihr sollt zurückkommen. Jetzt gleich!
Ohne länger nachzudenken, verschloss Adrián seinen Geist vor Maria und den anderen.
»Was tust du da?«, zischte Nikolai. Natürlich hatten die Teammitglieder sein Ausklinken gespürt.
Roland schluckte hörbar. »Wir können doch nicht unsere Leute im Stich lassen!«
Adrián sah in die Gesichter seiner Mitstreiter. »Ihr müsst zurück. Maria hat Recht, es ist zu gefährlich.«
»Wenn wir umkehren, wird aus den anderen das da!« Stella deutete mit dem Kinn auf das tote Mädchen.
»Ich bleibe auch«, stimmte Roland ihr zu.
»Ich nicht«, entgegnete Nikolai. »Seid ihr noch zu retten? Wollt ihr etwa auch in einer dieser Zellen verenden? Dann viel Spaß dabei!«
»Du Feigling!«, schnaubte Stella, wickelte sich das Ende ihres Kettengürtels um die Faust und wollte auf ihn losgehen, als Adrián sich zwischen die beiden stellte.
»Genug. Wer gehen will, der geht.«
Alle Blicke wanderten zu Nikolai. Hilflos zog er die muskulösen Schultern hoch. »Tut mir leid. Ich habe eine Frau, mit der ich gern den Rest meiner Ewigkeit verbringen würde. Ich wünsche euch viel Glück.« Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ den Trupp.
»Deine Wünsche kannst du dir sonst wohin stecken«, rief Stella ihm nach und spuckte auf den Boden, doch er kehrte nicht um.
Bald löste sich seine Silhouette in der Finsternis auf. Als auch seine Schritte verklangen, vernahm Adrián in
der wieder eingekehrten Stille ein Rascheln. Am anderen Ende des Ganges saß eine Ratte, gehüllt in ein silbernes Flimmern. Ein Seelentier!
»Nun wissen die Metamorphe, wo wir sind«, sprach Roland laut aus, was jeder beim Anblick des Biestes dachte.
Adrián hob seine Pistole zur Schießposition. Die Ratte huschte in die Dunkelheit.
»Okay«, beschloss er. »Ihr beide versucht so viele Gefangene wie möglich zu befreien, und ich lenke die Viecher ab. Ich hoffe, ich kann euch genug Zeit verschaffen, damit ihr wieder an die Oberfläche gelangt.«
Stella berührte seine Schulter. »Das ist Selbstmord.«
»Und ein irrer Spaß«, ertönte es aus dem Gang hinter ihnen. »Sie wollen doch nicht ohne mich losziehen?« Aus dem Korridor trat Conrad mit einem HKG36 im Anschlag.
Vor Überraschung fiel Adrián buchstäblich die Kinnlade herunter. »Du? Ich meine … Sie ?«
»Ich will auch einmal etwas völlig Idiotisches tun.« Conrad hob die Schultern und lächelte sein Grübchenlächeln. »Außerdem bin ich seit heute Morgen so herrlich destruktiv.«
Noch bevor Adrián etwas erwidern konnte, klopfte der Anführer ihm auf den Rücken und winkte den anderen zu. »Sollten Sie Evelyn finden, lassen Sie es mich wissen. Nun verlieren Sie keine Zeit und warten Sie nicht auf uns.«
Adrián hätte nie gedacht, dass er in der Lage wäre,
eine so tiefe Dankbarkeit zu empfinden. Und das gegenüber einem Mann, der ihn vor drei Tagen verprügelt hatte. Sein Selbstwertgefühl litt immer noch darunter.
Conrad zwinkerte ihm zu. »Aber verraten Sie Maria nichts. Los!«
Schulter an Schulter schritten sie den Korridor entlang.
25. Kapitel
E velyn drückte die Wange gegen die rauen Steine des Bodens. Sie fühlte sich ausgelaugt, ihr Hals schmerzte von all den Schreien, die nach Stunden in ein Krächzen übergegangen waren. Alle Gefühle waren erloschen und hatten tiefer Mutlosigkeit Platz gemacht. Was konnte sie auch dagegen tun, eingesperrt in einen Käfig, in dem sie sich nicht einmal aufrichten konnte? Das Einzige, was ihr blieb, waren der Hunger, der sie marterte, und die Angst, die an ihren Nerven
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