Schattenseelen Roman
du davon?«
Das königliche Lachen perlte. »Einfach erraten, wenn du so willst.« Mit geübten Griffen zog sie ihren Liebhaber aus und schnurrte auf, als sie ihn bestieg. Rhythmisch begann sie, sich auf ihm auf und ab zu bewegen. Zuerst langsam, dann immer schneller. Der Mann stöhnte - voller Lust und, wie es Evelyn schien, voller Schmerz. Seine Hände krallten sich um die Kanten des Altars. Die Finger kratzten über den Stein, die Nägel brachen, und das aufgeschürfte Fleisch malte blutige Linien auf den Granit.
Evelyn wurde übel - so viel Abscheu hatte sie nur einmal in ihrem Leben gespürt: nach der verhängnisvollen Nacht auf dem Waldboden. Sie ließ sich auf den Rücken fallen und bedeckte mit dem Arm ihre Augen. »Wenn das ein Mutter-Tochter-Gespräch über Bienchen und Blümchen sein soll, kommst du reichlich spät damit an.« Sie fror. Die modrige Luft schien wie eine schleimige Schicht auf ihrer Haut zu kleben.
Ihre Worte versanken in einem anschwellenden Ächzen und Hecheln. Sie bemühte sich, die Geräusche auszublenden. Es gelang ihr nicht.
Der feuchte Waldboden. Nacht. Das pfeifende Keuchen und die kalten Hände, die ihre Oberschenkel spreizten.
Nein! Alles, bloß das nicht! »Ja! So ist es gut!« Linneas heiserer Ruf drang bis in
den letzten Winkel des Raumes. Lüstern und wild prallte ihr Aufschrei von den Wänden ab und wurde vom Echo hinausgetragen. »Das gefällt dir, was? Du wolltest doch von mir gefickt werden. Wie du mich angesehen und verführt hast … Endlich kriegst du, was du verdienst!«
Ein Schlag klatschte auf die nackte Haut. Noch einer.
Ein Hilferuf kroch Evelyns Kehle empor. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, ein warmer Tropfen rann ihre Schläfe herunter. Jetzt kriegst du endlich, was du verdienst, du kleine Schlampe, peitschte die Stimme ihres Onkels durch ihren Kopf. Evelyn wusste nicht mehr, was wirklich zu ihren Erinnerungen gehörte und was durch Linneas Sex-Schauspiel lebendig wurde. Alles fühlte sich so erschreckend real an.
Adrián, wo bist du? Fast hätte sie es herausgeschrien. Im Gedächtnis beschwor sie sein Bild herauf. Die blauen Augen, heilend, wie das ruhende Meer; das sanfte Lächeln, das seine Gesichtszüge weichspülte; die Berührungen, die heiß unter ihre Haut drangen. Mit aller Kraft ihres Geistes klammerte sie sich an die Erinnerungen, die ihrer Seele den Frieden brachten.
Halt mich fest, Adrián. Liebe mich. Heile mich , flehte sie ihn an, und für einen Moment glaubte sie, ihn tatsächlich neben sich zu spüren.
Sei stark, mi vida . Ich bin gleich bei dir …
»Was denkst du, wird er sein kleines Mädchen retten?«
Evelyn schreckte zusammen und sah Linnea vor dem Käfig stehen. Die Königin hatte sich bereits angezogen, der Mann lag ermattet auf dem Altar. Der Spermageruch schwängerte die Luft und ließ Evelyn würgen.
»Aber natürlich wird er das«, antwortete Linnea für sie. »Er ist zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. Und genauso vorhersehbar.«
Der Mann erhob sich von dem Podest. Sein schlaffes Glied glänzte von der Körperflüssigkeit; ein dünner Faden zog sich zu seinem Oberschenkel.
Evelyn drückte sich in eine Ecke ihrer Zelle und schlang die Arme um ihren Kopf. »Was willst du eigentlich?« Der Aufschrei vibrierte in ihrer Kehle.
»Das ist ganz einfach. Ich wollte, dass du an ihn denkst. Dass du ihn hierherlockst. Ich bin mir sicher, er konnte dich hören.«
Mit einem Schlag erstarrte alles in Evelyn zu Eis.
»Was?« Nur ein Wort - und sie hatte keine Luft mehr, erstickte an einer einzigen Silbe.
»Kenne deinen Feind - so heißt es doch, oder? Ich weiß alles über dich, vielleicht mehr als du selbst. Mit Sex verbindest du ein paar traumatische Erlebnisse, nicht wahr? Ich wusste, wenn du dich elend fühlst, wird er dich hören und alles daransetzen, dir zu helfen.«
Adrián! Verzweifelt faltete sie die Hände zusammen. Wenn du mich hörst, geh bitte weg. Es ist eine Falle!
Alles still.
»Ich weiß, was du gerade versuchst«, triumphierte Linnea. »Aber es ist zu spät. Er ist auf dem Weg zu dir.«
Währenddessen kam der Mann näher und sank vor ihr in die Knie. Noch immer machte er einen benebelten Eindruck und merkte anscheinend wenig von dem, was um ihn herum passierte.
»Ich hätte nie zu träumen gewagt, dass meine Königin mich zum Partner wählt«, krächzte er.
»Hat sie auch nicht.« Linnea tätschelte ihn wie einen Hund, dann umschloss sie sein Kinn und den Hinterkopf. Mit einem Ruck brach sie ihm
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