Schattenseelen Roman
mehr dasselbe. Das Erste würde Kilian gehören, Letzteres aber einem Untoten, der davon niemals erfahren würde.
Er runzelte die Stirn. »Tun - was?«
»Für immer mit dir zusammen sein.« Es schmerzte mehr, als sie es vermutet hatte.
Ich tue das für Adrián! Sie verbat sich, an etwas anderes zu denken. Sie gab sich auf, verriet ihre Liebe,
und auf eine abartige Weise betrog sie auch Kilian. Doch all das musste er nicht erfahren. Ichtuedasfür-Adrián … ichtuedas …
Glücksfunken entflammten in seinem Blick, dann huschte ein Schatten über sein Gesicht. Er kämpfte sichtlich mit seinen Zweifeln, als befürchtete er, unbedacht alle Hoffnungen zu zerstören. »Es klingt nach einem Aber.«
»Alles hat seinen Preis«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu ihm.
»Und der wäre?«
Evelyn umschloss seine Hände, als wollte sie ihn am Fliehen hindern. »Adrián soll befreit werden.«
»Was?!« Kilian riss sich von ihr los. Auch Akash, der unter dem Tisch lag, richtete sich auf und stieß ein warnendes Knurren aus. Doch in der Gegenwart seines Herrchens wagte er es nicht anzugreifen.
»Was redest du da? Die Kreatur wird verrecken, und ich hoffe, der Tod wird lang und qualvoll sein. Sie muss für alles büßen, was sie uns angetan hat.«
So viel Wut erschreckte Evelyn. Ihre Hoffnungen schwanden, doch sie blieb eisern. Keine Regung verriet ihre Gefühle. »Ich bleibe bei dir, wenn Adrián freikommt. Oder ich gehe, und du bekommst mich nie, auch wenn du versuchst, mich aufzuhalten. Die Entscheidung liegt ganz bei dir.«
»Warum?« Verzweifelt tigerte er durch das Zimmer. Akash lief ihm hinterher und winselte, als verstünde er nicht, aus welchem Grund es seinem Herrchen
plötzlich so schlechtging. »Warum, um alles in der Welt, willst du diese Kreatur freilassen?«
Sie vermied es, ihn anzuschauen. Ob sie es irgendwann über sich bringen würde, in sein Gesicht zu blicken und nicht das von Adrián zu sehen?
»Ich bin dein, wenn der Nachzehrer leben darf. Mehr sage ich nicht.«
Kilian schien die Endgültigkeit ihrer Aussage zu begreifen. Er ließ sich in den Sessel fallen und beugte sich vornüber, als müsse er sich übergeben. »Das ist … unfair.«
»Ich weiß.«
»Er hat meinen Bruder gefoltert, begreifst du das denn nicht? Wie kann ich ihn freilassen?«
Evelyn stand auf. »Ich gehe jetzt schlafen. Und morgen … Nun ja. Entweder du siehst mich nie wieder, oder ich bleibe bei dir. Du entscheidest.«
»Nein, warte!«
Doch sie schlüpfte bereits ins Schlafzimmer und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Egal, was morgen passieren sollte, sie würde nichts unversucht lassen, um Adrián zu retten. Auch wenn sie sich allein in die Höhle des Löwen - oder eher der Schlange - begeben müsste.
In der Nacht tat sie kein Auge zu, und daran war diesmal nicht die harte Matratze schuld. Ihr war so elend zumute, dass sie hätte heulen können, wenn sie noch Tränen übrig gehabt hätte. Stattdessen starrte sie in die Dunkelheit, bis ihre Augen schmerzten. Irgendwann
hörte sie die Dielen quietschen und ein zaghaftes Klopfen an der Tür. Dann schob Kilian den Kopf durch den Spalt.
»Evelyn?«
Sie schwieg.
»Schläfst du?«
»Nein«, hörte sie sich sagen.
Jetzt schwieg er eine Weile. »Ich liebe dich. So sehr, wie du es dir vielleicht nicht vorstellen kannst …«
»Hast du dich entschieden? Wirst du mir helfen?«, unterbrach Evelyn ihn. Sag Nein, betete sie in Gedanken. Sag Ja, beschwor sie ihn gleichzeitig.
Stille.
Fast glaubte sie schon, er würde gehen, ohne etwas zu antworten, als er weitersprach: »Der Verstand sagt mir, ich soll dich freilassen. Wenn du etwas für mich empfindest, dann kehrst du zu mir zurück.«
Sie schluckte. Also Nein.
»Aber«, fuhr er fort. »Ich bin nicht stark genug dafür. Bitte bleib bei mir. Wenn der Preis dafür die Freiheit dieser Kreatur ist, dann soll es so sein.«
Evelyn dachte, sie würde Erleichterung empfinden, egal wie seine Entscheidung auch ausfallen mochte. Aber sie fühlte überhaupt nichts.
»Gut«, war alles, was sie darauf erwiderte.
Die nächsten Tage verbrachte Evelyn in einem Zustand nahe dem Delirium. Auch Kilian war wie ausgewechselt. Von einem stattlichen Jäger verwandelte er
sich in ein Häufchen Elend. Er aß kaum etwas, und nachts hörte Evelyn, wie er sich auf dem Sofa hin und her wälzte. Unter seine Augen hatten sich tiefe Schatten gelegt, und er fand keine Minute Ruhe. Sogar wenn er bloß am Tisch saß und Tee trank, wippte sein
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