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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Sie kam aus einer Welt, in der täglich Verbrechen geschahen, und ihr war klar, daß Inspektor Kelly sie verdächtigte, daß er zäh an dem Fall bleiben und ihn eines Tages lösen würde. Es wäre naiv gewesen, sich etwas vorzumachen. Zudem gab es Ken, den Zeugen der Tat, es gab seine Kumpels, denen er sich möglicherweise anvertrauen würde. Laura hatte ein großes Erbe angetreten und war von einer Minute zur anderen eine reiche Frau geworden, aber sie gab sich keinen Illusionen hin: Es konnte ebenso schnell vorbei damit sein.
    Die vernünftige Natalie brach das Schweigen und fragte: »Wie ging es weiter? Wie kommt es, daß niemand den Schuß hörte?«
    »Die Pistole hatte einen Schalldämpfer«, erklärte Laura. Ihr Gesicht nahm einen angestrengten Ausdruck an. »Ich erinnere mich so schlecht... ich glaube, ich habe David angeschaut und kaum kapiert, was geschehen war, dann ließ ich diese verdammte Pistole fallen und wollte aus dem Zimmer, aber Ken sagte: ›Halt!‹. Er zog ein Taschentuch hervor und wischte die Waffe sorgfältig ab.«
    »Ganz schön clever für jemanden, der voll ist mit Heroin«, bemerkte Gina.
    »Er tat alles so langsam. Seine Bewegungen liefen ab wie in Zeitlupe. Ich habe ihn angefahren, er solle sich beeilen. Ich habe am ganzen Körper gezittert. Als er endlich neben mir stand, habe ich ihn mitgezerrt. Ich wußte gar nicht, wohin ich wollte, nur fort, so schnell wie möglich. Gleich neben dem Eßzimmer trafen wir Joe, der war sauwütend. ›Wo zum Teufel steckt ihr denn?‹ zischte er, und Ken sagte: ›Bellino liegt tot in seinem Arbeitszimmer. Wir haben ihn gerade gefunden. Wir müssen weg!‹

    Joe schaute uns natürlich an, als wären wir verrückt geworden. ›Habt ihr ihn erschossen?‹ fragte er, und da erwachten irgendwie meine Lebensgeister wieder, ein Rest von Verstand, und ich sagte: ›Quatsch! Bist du verrückt geworden? Ich weiß nicht, wer ihn erschossen hat, aber er ist tot, und ihr müßt so schnell wie möglich verschwinden!‹ Joe wollte auf dem Absatz kehrtmachen, aber ich erinnerte ihn an den ursprünglichen Plan, daran, daß ich gefesselt zurückbleiben sollte. Gott weiß, woher ich in diesem Moment die Nerven nahm... Joe war fix und fertig, er zerrte mich in ein Zimmer, stieß mich zu Boden, schlang den Strick um mich – verabredungsgemäß trug er ihn bei sich –, und dann verschwand er, und ich lag da und lauschte dem Dröhnen meines Herzens.«
    »Mir war von Anfang an klar, daß etwas an der Geschichte nicht stimmte«, sagte Gina, »denn als ich Sie befreite, Laura, merkte ich, daß Sie sich ganz leicht selber hätten entfesseln können. Dieser Joe hat sich nicht die Zeit genommen, auch nur einen Knoten festzuziehen. Ich hatte gleich den Verdacht, daß Sie mit den Dieben unter einer Decke stecken.«
    »Das haben Sie dem Inspektor gegenüber nicht erwähnt!«
    »Nein. Ich bin nicht seine Helfershelferin.«
    »Wir sind es alle nicht«, sagte Laura leise.
    Jeder hatte sich inzwischen mehrmals nachgeschenkt, der Alkohol begann seine Wirkung zu zeigen. Eine eigenartige Stimmung breitete sich aus: Ein Gefühl von Solidarität, von Freundschaft und Vertrauen. Diese blasse junge Frau dort, die gerade zugegeben hatte, einen Mord begangen zu haben, weckte Mitleid und Verständnis. Im Kerzenlicht, im eigenartigen Fieber der Nacht verschwamm alles ein wenig. Was geschehen war, was geschehen würde, schien unwirklich.
    »Wirklich, Laura«, sagte Gina noch einmal, »Sie dürfen sich nicht zu viele Vorwürfe machen. Es war eine Tat im Affekt.«
    »Keiner von uns wird Sie verraten«, fügte Steve hinzu und griff zum viertenmal nach dem Wodka.
    Mary preßte die Hände gegen die Stirn. »Ich komme mir vor wie losgelöst«, sagte sie. Alle lächelten einander zu.

    Nur Natalie, die wie immer ihre Sinne noch am ehesten beieinander hatte, fragte plötzlich: »Wie weit können Sie sich auf Ken verlassen, Laura?«
    »Soweit man sich auf einen Drogenabhängigen verlassen kann«, erwiderte Laura. Alkohol und tröstende Worte vermochten ihre angstvollen Gedanken kaum zu beschwichtigen. Sie war weiß wie die Wand.
    2
    Pling-Plong... das ständige Geräusch, mit dem das Wasser in einer finsteren Ecke des Kellers auf den Boden tropfte. Ken bewegte sich unruhig auf seiner Matratze. Er hatte kurz geschlafen und wilde, böse Träume gehabt, von Schlangen und Maden, die an seinen Beinen hinaufkrochen. Trotzdem hatte er im Schlaf ein wenig Erlösung von seinen Qualen gefunden. Nun aber war alles

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