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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Er beugte sich über Ken und stach ihm die Nadel in die Vene am Unterarm. Angewidert verzog er dabei das Gesicht. Alles voller Einstichstellen, alles narbenübersät. Wie ekelhaft!
    Unter Joes Händen wurde Kens Körper schlaff und entspannte sich. Joe richtete sich auf. »Okay, Jay. Laß uns hier verschwinden. Ken wird jetzt erst einmal ein paar Stunden schlafen, und wir können solange überlegen, was wir als Nächstes tun.«
    Er dachte an Laura und an das Geld, das sie bekommen
würde. 0 ja, er würde sich ein fettes Stückchen aus dem Kuchen schneiden, da sollten sie nur alle sicher sein. Von Anfang an war er der Überzeugung gewesen, es könne nur sie gewesen sein, die Bellino ins Jenseits befördert hatte. Hatte sich ja auch gelohnt für sie, weiß Gott! Nun würde sich herausstellen, ob sie auch teilen konnte.
    Er betrachtete Ken, dessen geschlossene Lider über den eingesunkenen Augen leise zuckten. Ein Instinkt sagte ihm, daß er es nicht mehr lange machen würde. Um so besser. Einer weniger, der auch noch seinen Anteil haben wollte. Er wußte nicht, daß er Ken eben seine letzte Spritze gegeben hatte.
    Leise tropfte in der Ecke das Wasser auf den Boden.
    3
    Steve wachte davon auf, daß ihm die Sonne ins Gesicht schien.
    Einen Moment lang fragte er sich, wo er war – auf den Scillyinseln? In London? Im Gefängnis? Dann fiel es ihm ein, und er setzte sich auf. Manhattan lag im hellsten Licht, unter leuchtend blauem Himmel, unter einer Decke funkelnden und glitzernden Schnees. Der Kontrast zu der vergangenen Nacht, die voller Kerzenschein, Schatten, leiser Stimmen und verborgener Zärtlichkeit gewesen war, hätte nicht größer sein können. Es gab Nächte, in denen konnte man glauben, das Leben sei nur ein harmloses Spiel. Aber das stimmte nicht, harmlos war das Leben nie. Aber in gewissen Momenten hatte man das Gefühl, darüberzustehen und es beherrschen zu können. Letzte Nacht waren alle ein bißchen verrückt, dachte Steve, während er im Bad stand und sich rasierte. Aus der Zimmerbar hatte er sich eine Flasche Champagner genommen und sich ein Glas eingeschenkt; genüßlich trank er es nun nebenher. Gehüllt in einen flauschigen Bademantel mit den goldfarbenen, auf der Brust eingestickten Initialen Davids. Wie schön hier alles war, wie luxuriös, wie edel und gepflegt. Man konnte sich verdammt schnell daran gewöhnen,
so zu leben, zwischen Champagner, eleganten Möbeln, feinen Kleidungsstücken.
    Sie hat schon Glück, diese Laura, dachte Steve. Er war fertig mit dem Rasieren und trat ans Fenster. Der herrliche Ausblick auf das schneebedeckte Manhattan verschlug ihm zum zweitenmal an diesem Morgen fast den Atem. Wie schön mußte es sein, ein eigenes komfortables Penthouse in dieser Stadt zu besitzen. Laura brauchte nur einmal mit dem Finger zu schnippen, schon könnte sie ihm diesen Wunsch erfüllen. Unglaublich, wieviel Geld diesem Mädchen aus ärmsten Verhältnissen nun zufallen würde. Soviel Geld konnte sie in ihrem ganzen Leben nicht ausgeben. Wenn sie jedem von uns eine Million gäbe, würde sie das kaum spüren, dachte Steve mißmutig. Das gleißend helle Licht des Tages hatte tatsächlich alles verändert. Dieses stürmische, glückliche, tiefe Gefühl von Freundschaft und Vertrautheit, das sie alle in der letzten Nacht erfüllt hatte – vorbei! Da war nichts Heiliges und Erhabenes mehr. Gestern nacht war er überzeugt gewesen: Ich könnte in bitterster Armut leben, solange ich nur mit Mary zusammen bin.
    Heute erwachten schon wieder die allzu irdischen Wünsche in ihm: ein Appartement, ein Auto, Champagner soviel er wollte...
    Diese Laura geht hin, schießt einen Mann über den Haufen und bekommt das große Geld! Und wir anderen gehen leer aus. Dabei haben wir nichts als Ärger durch die ganze Angelegenheit gehabt! Geistesabwesend schlüpfte er in Hose und Pullover, dann schaute er auf die Uhr. Zehn nach acht... ein bißchen früh noch, aber wahrscheinlich schlief Laura in dieser Nacht nicht besonders gut und war schon wach. Ein Gespräch unter Freunden, mehr wollte er gar nicht. Leise trat er auf den Gang. Kein Laut unterbrach die morgendliche Stille.
     
    Inspektor Kelly neigte sich über den toten Ken und betrachtete ihn forschend, so, als könne er ihm jetzt noch eines seiner Geheimnisse entlocken. »Armer Junge«, murmelte er.
    Pling-Plong tropfte das Wasser in der Ecke. Kelly sah sich in
dem düsteren Keller um. Durch das Fenster unter der Decke drang ein heller Lichtschein und malte

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