Schattenspiel
wieder da: die Übelkeit, das Frieren, der kalte Schweiß am ganzen Körper, der brennende Durst, die krampfartigen Schmerzen im Magen. Er hatte sich schon zweimal übergeben, aber es wurde nicht besser. Sein Kiefer und seine Zähne taten weh. Er brauchte unbedingt einen Druck. Jetzt sofort, denn er hatte das Gefühl, er werde es gleich kaum noch aushalten können.
»Laura«, murmelte er. Die Zunge klebte ihm am Gaumen. Ein stechender Schmerz breitete sich in seinen Schläfen aus. Geblendet blinzelte er in das helle Licht, das ihm ins Gesicht schien. Auf einmal war der Keller keine Höhle mehr. Etwas Fremdes, Helles, Unheilvolles hatte sich eingeschlichen. »Laura«, murmelte er noch einmal mühsam.
»Laura ist nicht da«, sagte eine Stimme über ihm. Er kannte die Stimme und versuchte sich zu konzentrieren. Wenn nur das helle Licht nicht wäre... und die Schmerzen... Kraftlos bemühte er sich, die Hand vor die Augen zu halten, aber es wollte ihm nicht gelingen.
»Joe …«
»Ja, ich bin es. Joe. Und Ben ist auch hier. Und Jay. Dir geht’s dreckig, Ken, was?«
»Hast du einen Schuß für mich, Joe?«
Pling-Plong tropfte das Wasser in der Ecke. Die Magenschmerzen schwollen wieder an, es war, als nagte eine Ratte an seinen Eingeweiden, erbarmungslos, mit scharfen Zähnen. Stöhnend rollte sich Ken zur Seite, zog die Beine an und preßte sie eng an den Körper. Er atmete den feuchten, modrigen Geruch der Matratze, auf der er lag. Seine Gelenke und Knochen fühlten sich an wie aus Gummi und taten grausam weh. Leise wimmernd wiederholte er: »Einen Druck, Joe, bitte!«
Joe neigte sich über ihn. Seine Augen waren sanft, als er sagte: »Ich habe etwas für dich, Ken. Etwas sehr Schönes. Eine Spritze...« Er hielt die Spritze in die Höhe. Im Schein von Jays Taschenlampe konnte Ken sie erkennen. Sein Atem ging stoßweise, der Schweiß ließ seine Nase glänzen. »Joe...bitte...«
»Schönes, sauberes Heroin«, sagte Joe langsam. »Was meinst du, wieviel besser du dich damit fühlst. Möchtest du es haben? Möchtest du, daß ich es dir spritze?«
Ken versuchte sich aufzusetzen. »Joe...« Ein Speichelfaden hing aus seinem Mund.
Joe wich zurück. »Du bekommst es ja, Ken. Aber nicht sofort. Du mußt mir erst die Wahrheit sagen, verstehst du? Schön die Wahrheit... Wer hat David Bellino erschossen?«
Kens Hände verkrallten sich in der Matratze. »Joe...« Die Übelkeit stieg in ihm auf, er mußte sich wieder übergeben, und als er erschöpft zurücksank, lag er in seinem eigenen Erbrochenen. Die Tränen traten ihm in die Augen. Was wollte Joe? Wenn es ihm nur nicht so schwerfiele, seine Gedanken zusammenzuhalten, er konnte sich kaum konzentrieren auf das, was geschah.
»Wer hat David Bellino umgebracht?« fragte Joe ruhig. Die Spritze glänzte im Licht. Ken schluckte trocken; er brauchte einen Schluck Wasser, aber er hatte sich nicht mehr so weit unter Kontrolle, daß er diesen Wunsch hätte formulieren können.
»Ich... ich.«
»Ja? Was willst du sagen, Ken?«
»Die Briefe«, flüsterte Ken kaum hörbar, »meine... Briefe... Ich...er hatte mir Laura weggenommen...«
Joe hatte keine Ahnung von den Drohbriefen, die David Bellino erhalten hatte, und sie interessierten ihn auch nicht weiter.
»Wer hat Bellino ermordet?« Joe legte die Spritze zur Seite und griff nach dem Tuch, mit dem sich Ken immer den Arm abband. Er schlang es um seinen Oberarm und zog es fest zusammen. Ken liefen die Tränen über die Wangen. »Bitte, Joe, bitte...« In der Erwartung der Droge begann sein Körper zu vibrieren, schwollen die Schmerzen zur Unerträglichkeit an.
»Mich interessieren deine Briefe einen Dreck, Ken. Wer hat Bellino erschossen? Wie war das an jenem Abend?«
Undeutliche Bilder zogen durch Kens Gedächtnis. Es fiel ihm schwer, sich zu erinnern... er sah Laura vor sich, die schöne Laura, sie hob eine Pistole und schoß... David Bellino brach zusammen, sank zu Boden, seine Hände preßten sich auf seine Brust, alles war voller Blut... das Schwein, das ihm Laura genommen hatte...
»Laura«, sagte er mühsam, »Laura hat ihn erschossen.«
»Genau das habe ich mir gedacht«, erwiderte Joe zufrieden.
Jay gluckste begeistert. »Da wird sie uns aber eine Menge Geld geben müssen, damit wir die Schnauze halten«, sagte er, wobei das zweifellos ursprünglich Joes Idee gewesen war und nicht seine. »Nicht wahr, Joe? Wir gehen jetzt hin zu ihr und lassen uns schön viel Geld geben.«
»Halt deinen Mund«, brummte Joe.
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