Schattenspiel
zeigst uns jetzt den Safe. Und nachher lassen wir dich gefesselt liegen. Du hast uns geöffnet, wurdest dann von uns gezwungen, das Geld herauszugeben und bliebst dann unfähig, um Hilfe zu schreien oder dich zu bewegen, zurück. Los jetzt!«
»Joe …«
Er warf ihr einen Blick zu, der sie verstummen ließ. Sie ging voran und dachte: Ein fremder, böser Traum.
Die Bibliothek, im oberen Stockwerk des Penthouses gelegen, war der Stolz des alten Rudolf Bredow gewesen. Bücher, teilweise bis zu dreihundert Jahre alt, standen in den Regalen. Prunkstück war eine Bibel aus dem Jahr 1601, die unter Glas aufbewahrt wurde. Bredow hatte an seiner Bibliothek mehr gehangen als an irgend etwas sonst, Andreas hatte diese Liebe später
übernommen. Bezeichnenderweise waren die goldenen Buchstützen erst von David angeschafft worden, der dem hohen Raum mit den unter die Decke reichenden Regalen ein wenig mehr Glanz verleihen wollte.
Laura betätigte einen verborgenen Schalter und entsicherte den Alarm. Dann griff sie an den oberen Rand einer zehnbändigen Reihe in Leder gebundener Lexika. Die Bücher schwangen zur Seite, sie waren Attrappen gewesen. Dahinter kam ein Wandfach zum Vorschein, gesichert durch eine Stahltür.
»Mach es auf!« drängte Joe.
Vorsichtig drehte Laura an dem Schalter, um die Nummern einzustellen. Nicht, daß David ihr die Kombination verraten hätte, aber er ging unvorsichtig mit Zetteln um, auf denen er sich solche Dinge notierte. Laura hatte ihn irgendwann einmal in seinem Schreibtisch gefunden.
Die Stahltür öffnete sich. Sofort drängten die Jungen Laura beiseite.
»Beeilt euch! « sagte sie nervös. »Die Wohnung ist voller Menschen. Ich will nicht, daß noch jemand auf euch aufmerksam wird!«
»Immer mit der Ruhe, Lady«, entgegnete Joe, »wir räumen alles ab, ehe wir verschwinden, klar?«
»Ich habe nur gesagt, ihr sollt schnell machen!« Unruhig blickte sie sich um und fragte plötzlich scharf: »Wo ist Ken?«
Alle erstarrten.
»Verdammt!« sagte Joe. »Verdammt noch mal! Ich wollte ihn von Anfang an nicht mitnehmen!«
»Das war auch nicht ausgemacht!« fauchte Laura. »Ich habe gleich gedacht, ihr seid wahnsinnig, ihn hierherzubringen!«
»Er hat einen Riesenzirkus gemacht. Außerdem ist er ziemlich high im Moment, also auch berechenbar.«
»Und wo ist er?«
Ratlos blickten sie einander an. Dann lachte Laura auf, es klang schrill, und gleichzeitig stiegen ihr die Tränen in die Augen. »Phantastisch! Wißt ihr, was mit uns allen passiert, wenn das hier auffliegt?«
Joe packte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Fang jetzt nicht an zu lachen oder zu weinen, oder was immer du vorhast! Du suchst jetzt Ken und bringst ihn so schnell wie möglich hierher. Beeil dich!« Auch in seinen Augen flackerte Angst.
Laura drehte sich um und lief ins Schlafzimmer zurück. »Ken?« Sie schaute ins Ankleidezimmer, in die Bäder. Alles blieb still. Atemlos lauschte sie in die Dunkelheit des Eßzimmers, des Salons, wo die Gäste zuletzt gesessen hatten. Kein Laut war zu vernehmen. Wo, verflucht, war Ken? Er war nicht zurechnungsfähig heute abend...wahrscheinlich war er genau dorthin gegangen, wo es am gefährlichsten war... wahrscheinlich war er...
Sie ging den Gang entlang zu Davids Büro, zum zweitenmal an diesem Abend, und als sie aus dem Inneren Stimmen hörte, straffte sie die Schultern und trat ein. Überscharf, wie durch ein Vergrößerungsglas, nahm sie die Szene wahr, die sich ihr bot: David stand am Bücherregal, ein Lexikon in der Hand, sehr blaß, beinahe grau. Ken befand sich in der Mitte des Zimmers, zwischen David und seinem Schreibtisch; er starrte ausdruckslos auf den Teppich zu seinen Füßen. Auf dem Schreibtisch lag Davids Pistole. David konnte sie nicht erreichen, ohne an Ken vorbeizumüssen.
»Oh«, sagte Laura.
David sah sie nicht an. »Schaff diesen Bastard hinaus«, sagte er leise und drohend.
»David!«
Jetzt wandte er ihr sein Gesicht zu, und sie sah, daß seine Augen ganz klein waren vor Wut. »Du kennst ihn doch? Das ist doch einer von deinesgleichen. Schaff ihn hinaus, und geh gleich mit ihm fort! Du brauchst dich hier nie wieder blicken zu lassen! «
»Weil du jetzt Lady Artany hast?«
»Ach – Madame lauscht an fremden Türen?« Jetzt war es nur noch blanker Haß, der ihr entgegenschlug. »Hör zu, Laura, es ist mir gleich, was du von mir hältst oder denkst, wahrscheinlich glaubst du sowieso, ich bin ein Idiot, weil es so lange gedauert
hat, bis ich
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