Schattenspiel
immerzu nur lächeln! Gina würde jetzt etwas zu reden wissen, etwas Lustiges, Unterhaltsames. Selbst Nat in ihrer herben, spröden Art würde den Mund aufbekommen – und wenn es wäre, um diesen Leonard Barry in eine politische Diskussion zu verwickeln.
»Erzählen Sie mir von sich, Mary. Wo kommen Sie her? Wer sind Sie? Ist Ihr zauberhaftes rotes Haar echt?«
»Ja, natürlich... und ich... komme aus Liverpool ...« Irgendwie hörte sich das alles schrecklich an – so, als werde sie von einem Lehrer examiniert und leiere brav ihre Antworten herunter.
Sie nahm einen großen Schluck Champagner und spürte sanfte Wärme durch ihren Körper rinnen.
Einmal, einmal werde ich tun, was jedes andere, normale Mädchen an meiner Stelle tun würde...
Sie fragte sich, was Gina täte, und sie mußte nicht lange überlegen, um eine Antwort auf diese Frage zu finden. Sie schauderte; hastig trank sie ihr Glas aus.
Mary hatte so wenig Erfahrung mit Männern, daß es sie bereits völlig durcheinanderbrachte, als Leonard sie küßte. Ihr Herz schlug wild; sie versuchte ihn wegzuschieben, hauptsächlich, um Zeit zu gewinnen.
»Nicht, Leonard. Tu das nicht!«
»Macht es dir keinen Spaß, Liebling? Sei nicht dumm! Natürlich magst du es, wenn ich dich küsse!« Wieder neigte er sich über sie. Dieser kleine, knochige Körper, die flackernde Angst in den grünen Augen – weiß Gott, alles nicht sein Geschmack, aber er mußte sie jetzt haben, unter allen Umständen. Allerdings war es besser, vorsichtig zu sein. Ein übereilter Schritt, und das Mädchen lief schreiend davon. Er küßte sie behutsam. »Du bist sehr schön, Mary«, flüsterte er. »Und ich liebe dich!«
Der Champagner hatte Mary benommen gemacht, aber nicht so sehr, als daß sie sich nicht noch über die Situation im klaren gewesen wäre. Sie registrierte, daß sie in einer völlig verkrampften und verdrehten Haltung auf dem Sofa lag und daß ihr Rock bis zur Taille hinaufgerutscht war. Leonard hatte ihre Strumpfhose
hinuntergezogen, sie knäulte sich um ihre Knie herum. Ihre Schuhe hatte sie längst verloren, außerdem hatte sie den Eindruck, ihr Make-up müsse völlig verschmiert sein, ihre Haare scheußlich zerwühlt.
Billig, das alles, dachte sie, so furchtbar billig!
Noch einmal versuchte sie ihn wegzuschieben, aber er lag über ihr und drückte so auf ihre Muskeln und Gelenke, daß sie nicht genug Kraft gegen ihn sammeln konnte. Er war zu schwer und zu stark.
»Bitte, Leonard«, sagte sie ängstlich, »laß mich gehen!«
»Ich verspreche dir, es wird dir gefallen«, erwiderte Leonard. Er keuchte, und mit den Händen fummelte er beharrlich zwischen ihren Beinen herum.
Es wird mir nicht gefallen! Es gefällt mir jetzt auch nicht. Ich finde es widerlich, und außerdem ist es eine Sünde!
Aber es war nur die eine Mary, die so dachte. Die andere drängte sich ebenso energisch in den Vordergrund und sagte: Du mußt es tun. Was immer er will, tu es! Sei kein Feigling, Mary, lauf nicht immer vor dem Leben davon! Das hier ist ein Stück Leben, begegne ihm so furchtlos und unerschrocken wie Gina und Nat es täten! Denk nicht an Daddy und sein Gerede! Sei einmal frei, zu tun, was du willst!
So lag sie starr zwischen den seidenen Kissen und ließ es über sich ergehen: den warmen, alkoholgetränkten Atem über ihrem Gesicht, die feuchte, drängende Zunge zwischen ihren Lippen, Hände, die ihren Körper streichelten, Finger, die sich tief in ihr Fleisch gruben. Als er in sie eindrang, jammerte sie auf, aber er hielt ihr sofort seine Hand auf den Mund: »Sei still!« Es kam Mary vor, als sei ihr Körper eine einzige geballte Abwehr gegen diesen Mann. Jede Faser sträubte sich gegen ihn. Er bewegte sich immer schneller in ihr, aber es kam kein Laut mehr über ihre Lippen. Endlich stöhnte Leonard, schauderte und brach über Mary zusammen. Es dauerte keine halbe Minute, und er schnarchte friedlich.
Mary wagte nicht, sich zu bewegen. Es frustrierte sie, daß Leonard einfach schlief, während sie hellwach war. Sie sehnte sich
danach, von seinen Armen umfaßt zu werden, danach, seine Stimme dicht an ihrem Ohr zärtliche Worte flüstern zu hören. Sie selber spürte ein tiefes Gefühl von Wärme und Liebe. Endlich war es geschehen, sie hatte durchgehalten und sich nicht versteckt. Und Leonard war der Mann, mit dem es passiert war – ihr erster Mann. Es schien ihr ausgeschlossen, mit einem Mann zu schlafen, den sie nicht liebte, und ihr Gemüt besaß genügend
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