Schattenspiel
ein fiebriger Glanz in Marys Augen, der Gina in ungewohnter Rücksichtnahme schweigen ließ. Sie schluckte eine spöttische Bemerkung hinunter und sagte statt dessen nur: »In Ordnung. Wie du möchtest. Werde ich eben einen Tag meines Lebens mehr an den öden Charles Artany verschwenden!«
Leonard Barry warf erschöpft den Telefonhörer auf die Gabel. Die Diskussionen mit Carol machten ihn fertig. Immer und immer wieder dasselbe. »Was will sie?« murmelte er. »Daß ich auf den Knien um Verzeihung bitte? Wofür? Habe ich ihr nicht alles gegeben?«
Als es klingelte, verspürte er nicht die geringste Lust zu öffnen, aber nachdem es beharrlich ein zweites und drittes Mal läutete, ging er schließlich doch zur Tür. Ein rothaariges Mädchen stand vor ihm und lächelte — guter Gott, konnte die penetrant lächeln.
»Ja?« fragte er.
»Leonard... ich mußte dich einfach sehen. Warum hast du nicht angerufen? Ich habe so gewartet ...«
»Ich... nun ...« Er stotterte herum, um Zeit zu gewinnen. Dann fiel es ihm wieder ein – natürlich, die Rothaarige aus dem »Paradise lost«, die er mit nach Hause genommen hatte. Wie, verdammt noch mal, hieß sie doch gleich?
»Ich wußte nicht sicher, ob es dir recht wäre, wenn ich anrufe«, murmelte er schließlich und kam sich dabei etwas blöd vor. Aber das Mädchen nickte verständnisvoll. »Es war vielleicht auch besser. Mein Vater ...«
»Eben.« Er hoffte immer noch, darum herumzukommen, sie hereinbitten zu müssen, aber sie starrte ihn blaß und verfroren an – und vollkommen verzückt, das war das Schlimmste. Halbherzig trat er einen Schritt zurück. »Wenn du hereinkommen möchtest ...«
Sie war drin wie der Blitz, ihre Augen leuchteten sanft und zärtlich, und Leonard hatte das Gefühl, eine Falle schnappe zu. Er half ihr aus dem Mantel (resigniert hatte er sich damit abgefunden, daß sie länger bleiben würde) und wies auf die Tür. »Bitte schön!«
Sie betrat das Wohnzimmer, und der Blick, mit dem sie das Sofa betrachtete, war so verklärt, daß es Leonard die Sprache verschlug. Auf dem Sofa hatten sie miteinander geschlafen, natürlich, und offenbar hing ihr Herz an dieser Erinnerung.
Gütiger Himmel, sie hat sich tatsächlich in mich verliebt!
»Setz dich doch, Meggie«, sagte er, und sie sah ihn verletzt an. »Mary. Ich heiße Mary.«
»Richtig. Natürlich. Ich habe mich nur versprochen – Mary.« Leonard trat an die Bar, holte zwei Gläser und eine Flasche Eierlikör und stellte alles auf den Tisch.
»Nun, Mary, wie ist es dir ergangen inzwischen?« fragte er munter. Unter keinen Umständen durfte eine romantische Stimmung aufkommen. Mary nahm einen Schluck Eierlikör. Sie sah Leonard nicht an, als sie sagte: »Ich habe immer an dich gedacht. Die ganze Zeit.«
»Das finde ich schön von dir, Mary«, erwiderte Leonard sanft.
Er fand, daß sie aussah wie ein krankes Kaninchen. Nur ihr Haar, leuchtend rot und lockig, besaß einen gewissen verführerischen Zauber, aber in Ermangelung jeglicher sonstiger Raffinesse konnte auch das ihn nicht reizen. Wer hatte ihr nur geraten, hier im dunkelblauen Faltenrock, mit flachen Schnürschuhen und grauem Wollpullover aufzukreuzen?
»Mary«, sagte er, »es war unheimlich schön mit dir neulich ...«
»Ja?«
»Klar. Du bist ein prima Mädchen, und ich werde dich auch bestimmt nie vergessen...«
In ihren grünen Augen flatterte Panik. »Wie meinst du das — du wirst mich nie vergessen?«
»Na, wie soll ich das meinen? Wie ich es sage...du bist sehr süß, Mary ...«
Das Telefon klingelte. Leonard sprang auf und stürzte an den Apparat. »Barry hier.«
»Ich bin es noch einmal, Carol.« Die Stimme klang kühl und jagte ihm heiße Schauer über den Rücken. »Ich brauche ein bißchen Erholung, Leonard. Und da ich zufällig noch die Schlüssel zu Monti bei mir habe ...« Sie machte eine Pause.
»Ja?« fragte Leonard gespannt. Monti hatte sie immer die Villa in Monte Carlo genannt, die er ihr zu ihrem vierzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Ein Haus in den Bergen hoch über dem Meer.
»Ich würde gern ein paar Wochen dort verbringen.«
»Du mußt mich nicht fragen. Monti gehört dir.«
»Woher soll ich das so sicher wissen? Vielleicht hättest du es jetzt gerne zurück?«
»Red keinen Unsinn, Carol. Monti gehört dir, du kannst damit tun, was du möchtest. Du kannst es auch verkaufen, wenn du jede Erinnerung an mich aus deinem Leben streichen möchtest!«
Ihr Lachen klang amüsiert. »Ganz der alte
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