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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Wendigkeit, blitzschnell die Tatsache zu verdrängen, daß sie ihn keineswegs vorher geliebt hatte.
    Fatalerweise beschloß sie, ihn von jetzt an zu lieben.
    3
    Natalie war außer sich vor Wut, als sie erfuhr, was geschehen war. »David, verdammt noch mal!« schrie sie. »Es war ausgemacht, daß du Mary keine Sekunde lang allein läßt! Wie konntest du ...«
    Wie immer, wenn David angegriffen wurde, tat er so, als berühre ihn das überhaupt nicht, und selbstverständlich wies er alle Schuld weit von sich. »Bei einer Razzia sieht jeder zu, daß er sich schnell in Sicherheit bringt. Was hätte es genutzt, wenn wir beide verhaftet worden wären?«
    »Wärt ihr nicht. Denn offenbar warst du clever genug, der Polizei zu entwischen. Du hättest Mary mitnehmen müssen!«
    Ja, dachte er, das hätte ich tun müssen. Er versuchte sich zu erinnern, was in ihm vorgegangen war, als die Polizei die Bar stürmte und alle schreiend durcheinanderzulaufen begannen. Da war Panik in ihm gewesen, jenes Gefühl von Entsetzen, das ihn schon in seiner Kindheit immer befallen hatte, wenn irgendeine Gefahr zu drohen schien. Behütet und verzärtelt wie er war, hatten seine Nerven immer extrem schnell verrückt gespielt. Sowie ihn etwas bedrohte, brannten seine Sicherungen durch. Wenn er Angst hatte, wollte er fort.
    Nat gegenüber jedoch gab er sich cool. »Meine liebe Nat, ich
verstehe nicht, weshalb du dich so aufregst. Mary hat ja selber genügend Geschicklichkeit bewiesen. Sie ist keineswegs im Gefängnis gelandet, sondern sicher und wohlbehalten hier angekommen. Wozu das Theater?«
    »Sicher und wohlbehalten!« höhnte Natalie. »Schau sie dir an, wie verstört sie ist seit der Nacht mit diesem Mann. Ich weiß nicht genau, was da alles passiert ist, aber möglicherweise manches, worüber man sich Gedanken machen sollte!«
    »O Gott, tu nicht so, als nehme hier ein unheilvolles Schicksal seinen Lauf! Gut, sie hat eine Nacht mit einem fremden Mann verbracht, und vielleicht ist etwas passiert, vielleicht aber auch nicht! Sie wird ihn nicht wiedersehen, und damit ist die Angelegenheit vergessen. Vorbei, Ende! Warum malst du Gespenster an die Wand?«
    »Wie kannst du so sicher sein, daß Mary diesen Mann nicht wiedersieht?‹:
    »Warum sollte sie das?«
    »Ich fürchte, sie hat sich in ihn verliebt«, entgegnete Natalie.
     
    Leonard Barry rief weder am Sonntag noch am Montag noch am Dienstag in Saint Clare an, obwohl Mary ihm ihre Telefonnummer gegeben hatte. Sie überlegte hin und her: Was hinderte ihn, sich bei ihr zu melden? Er konnte sie doch nicht vergessen haben? Hatte er womöglich den Zettel mit der Telefonnummer verloren? Oder fürchtete er, an ihren Vater zu geraten? Am Mittwoch früh war sie, nach einer schlaflosen Nacht, entschlossen, nach London zu fahren und ihn zu besuchen. Sie besprach sich mit Gina, die jetzt oft in die Stadt fuhr, um einen jungen Mann zu treffen. Sie hatte ihn in einem Kino kennengelernt, er hieß Lord Charles Artany, war ebenso arm wie adelig und derzeit in einem Londoner Orchester als zweiter Geiger beschäftigt. Sie sagte, es sei sterbenslangweilig mit ihm, und nur in Ermangelung einer besseren Möglichkeit gäbe sie sich mit ihm ab. »Er redet über nichts anderes als das Musical, das er eines Tages komponieren will. Es soll das phantastischste Werk aller Zeiten werden, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen,
wie ein so fader Mensch etwas komponieren will, das nachher andere wirklich mitreißt!«
    Mary hatte stockend gefragt: »Hast du schon mit ihm... habt ihr...«
    »Gütiger Himmel, Charles Artany ist ein Mann mit Prinzipien! Er hat mir erklärt, mit einer Frau geht er erst ins Bett, wenn er sie geheiratet hat, und da er noch nie verheiratet war, fürchte ich, ist es mit seinen sexuellen Erfahrungen nicht weit her. Mit meinen auch nicht, daher denke ich, mit ihm sollte ich es nicht unbedingt ausprobieren.«
    Am Donnerstag wollte Gina wieder nach London fahren; sie wollte Charles von seiner Orchesterprobe abholen und danach einen Einkaufsbummel mit ihm machen. Piepsig erkundigte sich Mary, ob sie mitkommen dürfte. »Natürlich möchte ich euch nicht stören. Ich werde allein durch die Stadt streifen, während ihr zusammen seid. Nur meinem Vater müssen wir erzählen, wir hätten uns keinen Moment lang getrennt!«
    »Oh, ich bin nicht scharf darauf, mit Charles allein zu sein«, entgegnete Gina sofort, »du kannst ruhig mit uns kommen!«
    »Nein... ich wäre lieber allein ...« Es war

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