Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
hatte es doch getan, verdammter Lump, der er war, und nun stand sie hier, und jeder einzelne Traum, den sie je vom Leben gehabt hatte, war zerschlagen.
    »Ich könnte dich umbringen, David Bellino«, murmelte sie, »ich könnte ...« Ihre Stimme ging unter im Höllenlärm des vorüberdonnernden Zuges, und wieder klirrten die Fensterscheiben.

Steve
    1
    Es war der 5. Juli 1979. Liz O’Brian wurde acht Jahre alt. Sie hatte neue Rollschuhe geschenkt bekommen, eine Schultasche aus rotem Leder, zwei Sommerkleider mit passenden Haarschleifen und alle Bücher, die sie sich gewünscht hatte. Am Morgen, beim Geburtstagsfrühstück, hatte es trotzdem Tränen gegeben, denn Liz’ heißester Wunsch, ein richtiger kleiner Hund, war nicht in Erfüllung gegangen. Weil sie sich überhaupt nicht beruhigen konnte, sagte ihr Vater Ed schließlich: »Okay, Madame, dafür werde ich heute schon um fünf die Kneipe schließen, du holst mich ab, wir gehen irgendwo ein Eis essen und abends ins Kino, wenn du magst. Einverstanden?«
    Liz, die ihren Vater abgöttisch liebte, trocknete augenblicklich ihre Tränen. Das war fast noch besser als ein Hund.
    Die O’Brians waren irische Katholiken aus Belfast. Vor fünf Jahren hatte Ed in Plymouth an der Südküste Englands eine Hafenkneipe eröffnet, die hauptsächlich von Soldaten der britischen Marine besucht wurde. Das »Black Friars« machte Ed nicht reich, aber es ermöglichte ihm und seiner Familie ein sorgenfreies Leben.
    Liz machte sich fünfzehn Minuten vor fünf auf den Weg, die letzten mütterlichen Ermahnungen noch im Ohr, die neuen Haarschleifen im Haar. Es war ein wolkenloser Sommertag, brütend heiß, und selbst der frische Wind, der sonst immer vom Meer her in die Straßen der Küstenstadt hineinblies, war heute verstummt.
    Fast genau um fünf Uhr betrat Liz mit vor Hitze und Vorfreude glühenden Wangen das »Black Friars«. An verregneten Tagen war es hier meistens auch schon am Nachmittag sehr voll, aber wenn die Sonne schien, blieb es bis acht Uhr abends still. Im
Moment waren fünf junge Männer, alle Angehörige der Marine, da. Sie lehnten am Tresen, und als sie Liz erblickten, drehten sie sich wie auf Kommando zu ihr um und sangen ihr ein gröhlendes »Happy Birthday«. Als sie fertig waren, sagte Ed: »Prima, Jungs, das habt ihr gut gemacht. Und jetzt müssen wir hier schließen, weil ich der jungen Dame versprochen habe, mit ihr auszugehen!«
    »Also, eine Runde kannst du schon noch ausgeben auf den Geburtstag deiner Tochter«, rief einer der Soldaten.
    Die anderen stimmten lautstark zu. Ed schenkte tatsächlich noch jedem ein Bier aus, Liz bekam einen Apfelsaft und man ließ sie noch einmal hochleben.
    Dann mußte Liz aufs Klo.
    »Okay«, sagte Ed, »aber beeil dich. Ich spüle hier noch schnell die Gläser aus!«
    Obwohl sehr selten Frauen ins »Black Friars« kamen, gab es eine eigene Damentoilette. Als Liz den winzigen, weißgekachelten Raum mit dem Katzenposter an der Wand betrat, dachte sie erstaunt: Komisch! Was soll der schwarze Kasten da in der Ecke?
    Es war neunzehn Minuten nach fünf. Um zwanzig nach fünf explodierte die Bombe.
    Liz erwischte es voll. Sie war im Bruchteil einer Sekunde tot, zerfetzt und verbrannt, als Mensch kaum noch zu erkennen.
    Ed, drüben im Schankraum, wurde von der Wucht der Detonation zu Boden geworfen. Er erstickte unter der heranwogenden Hitze, noch ehe die Flammen vom »Black Friars« Besitz ergriffen und es bis auf die Grundmauern niederbrannten.
    Von den fünf Soldaten, die seine Gäste gewesen waren, hatte einer die Kneipe bereits verlassen. Er mußte entsetzt beobachten, was hinter ihm passierte: Von seinen vier Kameraden waren zwei, so wie Ed, auf der Stelle tot. Zwei erreichten den Ausgang; der eine als lebende Fackel, der andere kriechend, mit zerschmetterten Beinen, auf die ihm Teile von Wänden und Decken gefallen waren. Der eine erlag noch im Krankenhaus seinen schweren Verbrennungen, der andere kam durch, aber die Ärzte
mußten ihm seine Beine abnehmen. Der Lärm der Explosion hatte ihm außerdem das Trommelfell zerstört.
    Wenige Minuten nach sechs Uhr meldete sich ein anonymer Anrufer bei der Polizei in Plymouth und teilte mit, der Anschlag auf das »Black Friars« gehe auf das Konto der IRA.
    Um sieben Uhr meldete sich ein zweiter anonymer Anrufer. Dieser nannte den Namen Alan Marlowe und sagte, der habe am Abend zuvor die Bombe in der Damentoilette des ›Black Friars‹ installiert.
    Alan Marlowe war der Polizei

Weitere Kostenlose Bücher