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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Verkäuferin schließlich erschöpft gesagt und dabei trübsinnig ihren zersplitterten Fingernagel betrachtet. Aber Gina beharrte auf ihrer einmal getroffenen Entscheidung. »Ich nehme sie. Könnten Sie mir jetzt bitte wieder heraushelfen? «
    »Aber wo willst du das furchtbare Ding anziehen«, fragte Natalie nun in der unterirdischen Einkaufspassage.
    Gina blickte sich um. »Dort drüben. In der Toilette.«
    Es handelte sich um die schmuddeligsten Toiletten, die Natalie seit langem gesehen hatte. Sie schüttelte angewidert den Kopf und wartete in sicherem Abstand vor der Tür, hinter der Gina verschwunden war. Sie konnte die Freundin ächzen und stöhnen hören.
    »Gina? Klappt es?«
    »O Gott, Nat, beim besten Willen nicht! Ich glaube, ich muß mich hinlegen.«
    »Was?«
    »Ich muß mich hinlegen. Es geht sonst nicht!«
    »Gina! Du kannst dich doch in diesem Dreckloch nicht auch noch hinlegen!«
    »Ich muß. Oh, es ist gräßlich hier!« Die Geräusche aus der Toilette klangen immer bedrohlicher, und schließlich ertönte Ginas klägliche Stimme erneut. »Ich kann mich nicht ausstrecken. Das ist zu klein hier drinnen. Ich muß die Tür aufmachen!«
    »Dann ragen aber doch deine Beine hinaus!«
    Die Tür ging auf und eine völlig verkrampfte Gina erschien. Ihre Haare waren zerwühlt, sie hatte keine Schuhe mehr an und steckte in ihren neuen Jeans mit offenem Reißverschluß.
    »Meinst du, ich hätte eine Nummer größer nehmen sollen?«
    »Oh, Gina!!«
    Ginas Beine ragten von den Knien abwärts hinaus in den Gang. Sie lag völlig flach auf dem Boden und hatte den Bauch so weit eingezogen, daß ihre Hüftknochen rechts und links davon wie zwei Schaufeln hervorsahen. Natalie mußte plötzlich kichern. Sie erhaschte den Blick auf das völlig fassungslose und
tief entsetzte Gesicht einer biederen Frau, die auf dem Weg zu den Toiletten gewesen war, jedoch hastig umkehrte, als sie die beiden Frauenbeine im Gang sah, das unmenschliche Stöhnen vernahm und Natalie bemerkte, die sich interessiert über das ächzende Etwas neigte.
    »Wenn wir Pech haben, läuft die zur Polizei«, murmelte Natalie. »Die denkt doch, ich bringe dich um.«
    »Ich hab’s gleich«, hechelte Gina, »hilf mir bitte, Nat!«
    Natalie überwand ihren Ekel, stellte ihre Einkaufstüten ab und kniete neben Gina nieder. Ihre Hand lag auf Ginas Bauch; er war warm, und sie konnte die zarten, flaumigen Härchen darauf spüren. Sie sah, wie sich Ginas Brust in heftigem Atem hob und senkte. Die Spitzen ihrer Brüste schimmerten durch den dünnen Stoff ihres T-Shirts. Sie war sehr blaß, die Lippen schienen von der Anstrengung beinahe entfärbt. Ihre gewöhnlich mit Unmengen von Kajal umränderten Augen hatte sie heute nicht geschminkt, und unter den zerwühlten Haaren sah sie sehr jung aus. Natalie merkte, daß sie ihre Hand nicht mehr von Ginas Bauch wegnehmen konnte.
    »Gina«, sagte sie mit ihrer leisen, rauhen Stimme, »du bist so wunderschön.«
    Gina hielt inne und sah Natalie verwirrt an. »Was?«
    »Du bist sehr schön, Gina. Es ist kein Wunder, daß ein Mann wie Charles nicht mehr von dir abläßt.« Aber eigentlich hatte sie das nicht sagen wollen, sondern ihre Worte hätten lauten müssen : Ich finde dich schön. Ich finde dich anbetungswürdig schön. Ich fand das immer, aber nie so. Nicht so intensiv und so...zärtlich.
    Sie neigte sich vor und küßte sachte Ginas Mund. »Mäuschen, ich finde es beschissen hier drin, aber du bist schön, selbst an so einem Ort.«
    Gina war zu erschöpft, um zu begreifen, was in Natalie vorging. »Letzter Versuch, Natalie. Ich glaube, wir haben es gleich. Meinst du, ich werde jeden Morgen so lange brauchen, um das Scheißding anzuziehen?«

     
    Auch der nächste Tag war wieder heiß. Tiefrot war am Morgen die Sonne hinter den Hügeln aufgestiegen, hell und heiß zog sie nun ihren hohen Bogen über den ungetrübt blauen Himmel. Die Hitze verbot es, sich zu bewegen, sie verbot es zu arbeiten. Im Grunde, dachte Natalie, ist es zu heiß, um zu atmen.
    Sie trug einen Bikini und saß im Gras unter dem Jasminstrauch. Sie hatte einen Brief an Mary geschrieben, aber der Kugelschreiber klebte an ihren Händen, die Gedanken bewegten sich zäh. Sie legte sich zurück in das warme, kurzgeschruttene Gras, das sommerlich nach Heu und trockener Erde roch, und dachte, wie herrlich friedlich es hier sei. David und Steve waren ans Meer gefahren, und Gina hatte einen Anruf von Charles bekommen und saß jetzt mit der Miene eines

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