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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Mal zurecht. Wo blieben nur ihr Mann und Natalie? Mr. Quint war vor zwei Stunden hinüber zu den Pferdeställen gelaufen, weil eine Stute fohlte, aber er hatte versprochen, er werde rechtzeitig wieder auftauchen. Warum, um alles in der Welt, mußte er dabeisein, wenn ein Fohlen kam? Sie hatten genug Stallburschen, außerdem war der Tierarzt gekommen. Aber
das gleiche Theater machte er ja auch mit seinen Hunden, und Mrs. Quint dachte noch immer mit Ekel daran, wie Melissa, die geliebte Bassetthündin, ihre Jungen im Schlafzimmer auf einer Seidenbluse von ihr zur Welt gebracht hatte.
    Auf der Treppe erklangen Schritte. Mrs. Quint wandte hoffnungsvoll den Kopf und sah Natalie, die langsam und aufreizend lässig die Stufen herunterkam. Ihre langen, braungebrannten Beine steckten in schmuddeligen Shorts, sie lief barfuß und trug ein weißes T-Shirt. Um ihr rechtes Handgelenk klimperten ein paar schmale silberne Armreifen. Sie sah sehr jung und irgendwie zäh und gesund aus, sie schien das verkörperte Gegenteil ihrer fülligen, seidengewandeten Mutter.
    »Natalie! Es ist höchste Zeit, daß du dich umziehst! Ich habe dir doch dein Kleid aufs Bett gelegt!«
    »Ja«, sagte Natalie. In ihrer Stimme war der gleichgültige Ton, den sie immer bekam, wenn sie mit ihrer Mutter sprach. »Ja, es liegt auf meinem Bett. Aber ich habe mir überlegt, daß ich doch nicht mitkomme. Fahrt ohne mich!«
    »Was?«
    »Ich habe keine Lust. Es ist ein wunderschöner Tag, ich möchte mich in den Garten legen und ein Buch lesen. Ich bleibe hier.«
    »Das ist ausgeschlossen«, sagte Mrs. Quint scharf. »Ich habe bereits angekündigt, daß du mitkommst!«
    »Mum, bei diesem verdammten Polospiel sind mehr als hundert Leute, und es interessiert keinen Menschen, ob einer mehr oder weniger kommt. Und du weißt, wie ich das blöde Gerede bei diesen Parties hasse!« Natalie fuchtelte mit den Armen. »›Sie haben aber einen bezaubernden Hut, Mrs. Quint! Sagen Sie, Lady Laughcastle, glauben Sie, es stimmt, daß Prinzessin Anne ihren Mann betrügt?‹ Mum, wirklich, das ist mehr, als du einem halbwegs intelligenten Menschen zumuten kannst!«
    »Es ist die Welt, in der wir leben, Natalie.« Wie immer, wenn sie sich aufregte, wurde Mrs. Quint etwas schrill. »Es ist auch deine Welt. Es sind deine Kreise. Du mußt dich zumindest ein klein wenig anpassen, sonst wirst du dich nie behaupten.«

    »In diesen Kreisen will ich mich nicht behaupten. Ich will meinen eigenen Weg gehen. Ich... es wird...« Natalie stockte, sie wußte, daß sie ihre Mutter mit allem, was sie jetzt sagte, verletzte, aber sie mußte darüber sprechen. »Mein Weg wird mit Sicherheit in ein anderes Leben führen als es das ist, in dem du dich bewegst, Mum.«
    »Hochinteressant!« Nervös wühlte Mrs. Quint in ihrer Handtasche, zog endlich eine Schachtel Zigaretten hervor und zündete sich eine an. Ihre sorgfältig manikürten Finger zitterten leicht. »Darf man fragen, welche Art von Leben du dir vorstellst?«
    »Zum einen... ich werde bestimmt nicht heiraten. Ich möchte nicht Repräsentationsfigur eines Mannes sein, der...«
    Mrs. Quint musterte ihre langbeinige, naturbelassene Tochter spöttisch und meinte. »Das wäre wahrscheinlich auch keinem Mann unbedingt zu wünschen.«
    Einen Moment lang schwieg Natalie verletzt, dann sagte sie sachlich: »Du weißt, ich habe immer vorgehabt, Journalistin zu werden. Ich möchte das jetzt tun.«
    Mrs. Quint drückte ihre Zigarette in einer mit Erde gefüllten Tonschale aus, in der ein dunkelgrünes Schlingengewächs wucherte. »Darüber müssen wir doch jetzt nicht diskutieren. Außerdem ist das kein Grund, nicht zu der Party zu gehen. Zieh dich bitte um, es reicht mir, daß ich schon wieder auf deinen Vater warten muß.«
    »Ist das Fohlen schon da?«
    »Ich weiß es nicht. Und es interessiert mich auch nicht. Ich hatte gesagt, wie wollen um drei Uhr weg, und nun ist es zehn nach drei...« Vor Hitze und Aufregung begann das Make-up auf Mrs. Quints Gesicht zu verlaufen. Natalie betrachtete ihre Mutter mit einem leisen Anflug von Mitgefühl. Arme Mum, sie verschliß sich im Kampf um Vornehmheit und Prestige, zerrüttete ihre Nerven in wochenlangen Fastenkuren, mit denen sie dem unaufhaltsam zunehmenden Umfang ihrer Taille zu begegnen versuchte, und würde es nie verwinden, ein Kind zur Welt gebracht zu haben, das ein Mädchen und überdies widerspenstig
und eigenwillig war. Durch ein Seitenfenster fiel ein hell flimmernder Sonnenstrahl und

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