Schattenspiel
Opferlamms am Telefon im Wohnzimmer. Natalie grinste vor sich hin. Dafür, daß der junge Mann kein Geld hatte, führte er reichlich lange Gespräche.
Die beinahe ländliche Stille des Gartens erinnerte Natalie an daheim, denn auch dort hatte sie die langen, heißen Tage geliebt und sich verschwiegene Plätze im hohen Gras um den See oder unter den schattigen Blättern der Bäume im Wald gesucht. Allerdings war die Idylle immer bald gestört worden, entweder durch die Hunde, die im Gelände herumstreiften und sich freudig bellend auf Natalie stürzten, oder – was schlimmer war – durch ihre Mutter, die irgend etwas Belangloses von ihr wollte und so lange nach ihr rief, bis sie sich wütend erhob und zum Haus zurücktrottete. Mum hat es nie fertiggebracht, Menschen leben zu lassen, dachte Natalie träge, während sie mit den Zehen ein Gänseblümchen pflückte, sie kann Andersdenkende kaum ertragen.
Langsam stand sie auf und schlenderte ins Haus. Gina hatte offenbar aufgehört zu telefonieren und war nirgends zu entdecken, weder im Wohnzimmer noch in der Küche. Natalie summte eine Melodie vor sich hin, während sie die Treppe hinaufstieg, um sich ein T-Shirt zu suchen. Jeder der vier hatte ein eigenes Schlafzimmer, und Natalie hätte direkt in ihr eigenes gehen können, aber als sie an Ginas Tür vorbeikam, vernahm sie von innen ein Geräusch. Das Bett knarrte leise. Hatte sich Gina
hingelegt? Sie zögerte eine Sekunde, klopfte dann an und trat ein.
Gina lag auf dem Bett. Sie war vollkommen nackt, und ihr dunkles Haar breitete sich wie ein Teppich über die Kissen. Die Hände mit den dramatisch roten Fingernägeln hingen rechts und links über den Bettrand. Sie wirkte vollkommen entspannt, nur auf Stirn und Nase glänzte ein wenig Schweiß. Wie sie dalag, hatte sie etwas von einem jungen, wilden Tier, das erschöpft von der Hitze und der eigenen grenzenlosen Energie hingegossen schläft, während in ihm bereits sprungbereit neue Kräfte lauern.
Es herrschte eine brütende Hitze in dem kleinen Zimmer mit den schrägen Wänden. Zwar standen beide Fensterflügel weit offen, aber kein Wmdhauch bewegte die Zweige des Apfelbaumes, der vor dem Haus wuchs. Die Holztäfelung unter dem Dach roch nach warmem Harz. Staub flimmerte in der Sonne, eine Biene surrte gegen die Decke.
»Ist dir nicht gut?« fragte Natalie.
Gina öffnete langsam die Augen. »Nein. Es ist alles in Ordnung. Ich bin nur ein bißchen müde von der Hitze. Und von Charles. Er ist ein schrecklicher Mensch, dabei so lieb und anhänglich, daß man sich ganz gemein vorkommt, wenn man nicht nett zu ihm ist.«
»Ich fürchte, du wirst ihn nie mehr los«, sagte Natalie, aber ihre Worte kamen eher mechanisch, denn sie hatte kaum richtig hingehört. Sie merkte, wie ihre Handflächen feucht wurden, während sie beobachtete, wie sich diese schöne, junge, nackte Frau vor ihr auf dem Bett genießerisch streckte. Diese goldbraune Haut! Die goldfarbenen Augen! Goldflimmernde Strähnen im kastanienbraunen Haar. Natalie kam es vor, als sei die ganze Gina in pures Gold getaucht. Was für schöne Brüste sie hatte. Die Beine, unendlich lang und wunderschön geformt. Alles an ihr war langgestreckt, schlank und feingliedrig. Die Hände, die Arme, der Hals... fasziniert starrte Natalie auf den dunklen Fleck zwischen ihren Beinen, und als sie sich vorstellte, wie es sein müßte, dieses Stück zu berühren, es sanft und zärtlich
mit den Fingern zu streicheln, wurde ihr fast schwindlig. Sie wußte, daß Gina noch nie mit einem Mann geschlafen hatte, und es überraschte sie, mit wieviel Angst und Entsetzen sie auf den plötzlichen Gedanken an einen Geliebten für Gina reagierte. Sie schloß die Tür. Mit einer raschen, anmutigen Bewegung glitt sie neben Gina auf das Bett. »Stört es dich, wenn ich mich einen Moment zu dir lege?« fragte sie. »Ich bin auch sehr müde.«
»Natürlich stört es mich nicht«, erwiderte Gina. Aber instinktiv hatte sie etwas gespürt. Ihre Stimme klang gespannt, aus ihrem Blick, ihrer Haltung war die schläfrige Trägheit verschwunden. Hellwach registrierte sie Natalies Nähe.
In der Hitze wurde die Haut der beiden Mädchen naß, kaum daß sie einander berührten. Beide empfanden es als schön zu spüren, wie sich ihr Schweiß vermischte, wie ihrer beider Atem ineinander überging. Zum ersten Mal erlebten sie das Gefühl streichelnder Hände auf ihren Körpern.
Das Laken bekam feuchte Flecken, Decken und Kissen lagen längst auf dem
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