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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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aber der alte Eastley fand, sein Sohn müsse nun dringend heiraten, um nicht in den Ruf eines Playboys zu kommen.

    »Ich habe da ein Mädchen kennengelernt«, sagte John vorsichtig. »Sie heißt Veronique. Veronique Lasalle.«
    »Lade sie für das nächste Wochenende zu uns ein. Ich schaue sie mir an, John, und zwar nicht, um dich zu bevormunden, sondern weil die Wahl deiner Frau für deine Karriere äußerst wichtig ist. Deine Frau muß hübsch sein, aber nicht zu sexy. Sie muß elegant sein, darf sich aber nicht so teuer und extravagant kleiden, daß andere Frauen neidisch werden. Ihre Intelligenz sollte nicht penetrant sein, und sie muß mit allen Armen der Welt fühlen, aber darf auf keinen Fall mit irgendwelchen revolutionären Ideen daherkommen. Und sie muß von Anfang an gewillt sein, dich ganz und gar zu unterstützen.«
    Veronique schien alle Voraussetzungen zu erfüllen. Da sie und John außerdem sehr verliebt ineinander waren, wurde eine glanzvolle Hochzeit gefeiert.
    Die Ehe bestand genau zehn Jahre, sie war ein Martyrium für beide, und sie wurde von Veronique schließlich dadurch beendet, daß sie sich – zu diesem Zeitpunkt 33 Jahre alt – mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben nahm. Sie hatte bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich, litt unter einer beginnenden Leberzirrhose und hätte am nächsten Tag zum siebten Mal in ein Sanatorium gehen sollen, um einen Alkoholentzug zu machen. In ihrem Abschiedsbrief bat sie John um Verständnis dafür, daß sie nicht mehr leben wollte. Sie hatte dem Druck der Familie nicht standgehalten. Der alte Eastley hatte ihr so lange eingehämmert, daß ihr unter keinen Umständen jemals ein Fehler widerfahren dürfte, daß ihr auf sämtlichen Parties und Empfängen tatsächlich ein Mißgeschick nach dem anderen unterlief: Entweder warf sie bei Tisch ihr Weinglas um, oder sie verwechselte die Frau eines Senators mit einem der Serviermädchen und drückte ihr den überquellenden Aschenbecher in die Hand. Mit jedem Malheur wuchs ihre Unsicherheit. Schließlich konnte sie ihre Nervosität nur dadurch noch einigermaßen überspielen, daß sie vor jedem offiziellen Anlaß eine kleine Flasche Champagner trank. Später folgten größere Mengen und schließlich härtere Getränke. Sie hatte ihre gute Phase, wenn sie soviel getrunken
hatte, daß sie vor Charme und Witz sprühte, nicht jedoch so betrunken war, daß sie sich lächerlich machte. Aber sie bewegte sich dicht am Abgrund, und schließlich passierte es natürlich, daß sie zur Geburtstagsfeier des Gouverneurs von Kalifornien im Vollrausch erschien und sich mit John eine sehr häßliche und peinliche Szene lieferte. Keine Zeitung, die nicht am nächsten Morgen hämisch über Mrs. Eastleys Auftritt berichtete. Der alte Eastley tobte. »Diese Frau ruiniert dich!« schrie er seinen Sohn an. »Kannst du nicht dafür sorgen, daß sie keinen Whisky mehr anrührt? Und außerdem, warum, verdammt noch mal, wird sie nicht schwanger?«
    »Der Arzt sagt, sie ist gesund«, erwiderte der Sohn, »aber Frauen werden nun mal nicht auf Befehl schwanger, Vater.«
    Was er verschwieg, war die Tatsache, daß Veronique und er längst getrennte Schlafzimmer hatten und daß es nächtliche Besuche bei seiner Frau für ihn praktisch nicht mehr gab. Vor ihrer Ehe waren sie sehr gern miteinander ins Bett gegangen, aber seit Veronique unter dem Druck stand, unbedingt ein Kind kriegen zu müssen, verkrampfte sie sich so, daß Sex für sie und John jedesmal in einem Fiasko endete. John verzichtete schließlich ganz darauf, sie in ihrem Zimmer aufzusuchen. Am Abend vor ihrem Selbstmord waren sie auf einer Gartenparty in Santa Monica; sie wollten die Nacht in einem Hotel verbringen und am nächsten Tag zurück nach San Francisco fliegen. Veronique hatte kaum etwas getrunken, war bleich und apathisch, und ihre Augen hatten einen fiebrigen Glanz. Das Hotel war voll belegt, so daß ihnen nichts anderes übrig blieb, als ein Doppelzimmer zu nehmen. Veronique kauerte sich sofort in einen tiefen Sessel, zog die Beine eng an ihren Körper und schlang die Arme darum. Sie trug ein Kleid aus weißer Spitze, im Dekollete nichts als eine zarte Goldkette, und rechts und links von den Schläfen hatte sie jeweils eine weiße Rose befestigt. Sie sah aus wie eine Zwanzigjährige, bis auf die Melancholie in ihren Augen, an die John sich beinahe gewöhnt hatte, die ihm heute jedoch plötzlich auffiel und ihm weh tat. Er kniete neben ihr nieder und berührte

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