Schattenstürmer
Schläge, die so schmatzend und weich klangen, als rührten sie von einem Sumpf her. Erst da verkündete eine Stimme: »Genug! Wir wollen den dunklen Elfen ja keinen Toten übergeben!«
Danach hörte Jok nichts mehr. Er glitt in eine erlösende Ohnmacht.
Die nächsten Tage lagen für Jok gleichsam im Nebel. Er erwachte in einer engen Zelle, man schlug ihn und führte ihn zum Verhör, bei dem ihm drei Menschen mit der gelangweilten Miene und dem Emblem der Königlichen Sandkörner seltsame Fragen stellten. Anfangs hatte sich Jok noch verteidigt und versichert, dass ihn an diesem schrecklichen Mord keine Schuld treffe. Doch da hatten sie ihn nur wieder geschlagen. Die Sandkörner brauchten ein Geständnis, andernfalls würden die rachsüchtigen dunklen Elfen das Königreich verheeren. Ein Magier des Ordens achtete darauf, dass Jok Imargo die Foltern überlebte. Beim dritten Verhör brach er dann zusammen und bekannte sich schuldig. Was weiter mit ihm geschehen würde, war ihm einerlei, solange diese Männer ihn nur nicht mehr schlügen. Joks Gesicht hatte sich in eine breiige Masse verwandelt, die Nase war mehrfach gebrochen, die Finger zertrümmert und die Rippen gebrochen; unzählige Blutergüsse und Schnittwunden bedeckten seinen Körper. Als man ihn auf das vollgepisste Stroh in der Zelle warf, vermochte er sich kaum mehr zu rühren. Er keuchte und stöhnte nur und schlief schließlich ein.
Häufig hatte Jok Träume. Er träumte, er befinde sich weit entfernt von diesem Ort, an den ihn ein böser Wille geworfen hatte. Beim Aufwachen hatte er seine Träume meist vergessen. Bis auf einen. In diesem Traum kam ein Mann zu ihm, ein Wachtposten, der die Zellentür öffnete, freundlich lächelte und sagte, er wisse, dass Jok unschuldig sei und dass den Mord die Diener des Herrn verübt hätten. Der Herr würde auf Jok warten. Danach hatte Jok geweint und sich auf dem Stroh gewälzt.
An das Gericht erinnerte sich Jok nur verschwommen. Ein grelles Licht schlug ihm in die Augen, die vielen Gesichter nahm er als weiße Flecken wahr. Er wurde etwas gefragt, er antwortete. Jemand zeigte dem hohen königlichen Gericht seinen Köcher und die Pfeile und legte den zerbrochenen Pfeil mit dem eingetrockneten Blut vor.
»Ich bin unschuldig«, flüsterte Jok, doch niemand hörte seine Worte, allein der Gerichtsschreiber kratzte mit der Feder übers Papier. »Das waren die Diener des Herrn.«
Dann befragte das Gericht den rotgesichtigen und schwitzenden Meister Loter. Dieser stotterte vor Angst, sah sich nach allen Seiten um und antwortete. Ja, er war an diesem Tag bei mir … Ja, er war zornig, als er hörte, ein Elfenprinz werde am Turnier teilnehmen, möge dieser im Licht weilen … Ja, in seinen Augen ist etwas aufgeflackert … Blutdurst … Warum habe ich alter Dummkopf das nur nicht gleich gemerkt?
Es folgten weitere Männer. Freunde, Bekannte, Verwandte. Ja, er wollte gewinnen … Ja, es wäre ihm zuzutrauen, dass … Ja, was für eine Schande!
Und dann trat Lia auf. Ja, Jok sei bei ihr gewesen und habe gesagt, er werde das Turnier um jeden Preis gewinnen … Danach hörte Jok nicht mehr zu, sondern flüsterte in einem fort mit trockenen Lippen: »Lia …«
Alles sprach gegen ihn. Das von ihm unterschriebene Geständnis, der blutverkrustete Pfeil, die Aussagen der Zeugen. Das hohe königliche Gericht konnte nur ein Urteil fällen.
Nachdem der hölzerne Hammer niedergegangen war, sprach der hagere alte Richter mit dem schwarzen Talar und der schlecht sitzenden weißen Perücke ein einziges Wort: »Schuldig!« Da fing Jok den Blick des Elfen auf, der während der gesamten Verhandlung nicht eine Miene verzogen hatte. Nun sah ihn der Elf an und lächelte. Jok erstarrte. Dieses Lächeln schreckte ihn mehr als jede Folter.
Sie töteten ihn nicht, sie sahen eine weit grausamere Strafe für ihn vor: Sie übergaben ihn den Elfen. Jener Elf, der Jok im Gericht solche Angst eingejagt hatte, nahm sich seiner an. Er wurde in Ketten gelegt, in einen Wagen gesteckt und aus Ranneng fortgebracht. Vom Weg nach Sagraba behielt Jok nur das Quietschen der Räder, die gemurmelten Gespräche der Elfen und die Schmerzen in Erinnerung. Jeden Abend, wenn sich die Elfen schlafen legten, bohrten sich die Schmerzen tief in Joks Leib. Dann nämlich suchte Erodge den Gefangenen auf und entnahm einem kleinen Korb mehrere Stahlnadeln. Jedes Mal nach der Folter vermeinte Jok, nun sei das Ende gekommen, mehr könne er nicht mehr ertragen, nun stürbe
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