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Schattenstürmer

Schattenstürmer

Titel: Schattenstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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er. Und so wartete er auf den Tod, wartete sogar mit Freude und schmerzvollem Vorgeschmack auf ihn. Doch auch die Elfen ließen ihren Gefangenen nicht durch die Folter sterben. Sobald die Schmerzen schier unerträglich wurden, erschien ein Schamane der Elfen und sorgte für Linderung. Er half Jok allerdings nur, damit sich die Folter am nächsten Abend wiederholen konnte. Tag um Tag starb Jok, litt unsagbare Pein, verwünschte die Götter, wurde wiederbelebt, weinte und starb erneut. Tag um Tag derselbe Albtraum.
    Irgendwann brachte man ihn irgendwohin, stellte ihn in ein Rund aus Hunderten von elfischen Gesichtern, unter ihnen auch das von Erodge. Dann hüllten ihn wieder Schweigen und Schmerzen ein.
    Aus irgendeinem Grund wuchsen hier alle Bäume von oben nach unten. Und auch das Gras wuchs von oben herab. Und die Sonne ging von unten nach oben unter. Die Elfen liefen über die Erde, die über ihm hing, mit dem Kopf nach unten.
    Lange grübelte er, was das bedeutete. Er verstand es erst, als er bemerkte, dass ihm das Blut aus der aufgeschlitzten Wange in dicken Tropfen nicht aufs Kinn, sondern erst auf die Stirn und dann auf die Erde fiel, die sich über seinem Kopf spannte.
    Er hing kopfüber an einem Baum. Wie lange baumelte er hier schon so? Eine Stunde? Einen Tag?
    Im Wald dunkelte es, die Nacht senkte sich herab, durch die dunklen Baumkronen schimmerten die Sterne. Niemand bewachte ihn. Wozu auch? Wie sollte er sich denn aus der Elfenschlinge befreien? Und wie weit würde er, ein gefolterter Mensch, in einem unbekannten Wald wohl kommen?
    Jok verlor abermals das Bewusstsein. Irgendwann weckte ihn ein sanftes Rascheln im Gras. Er öffnete die Augen und erblickte die dunkle Silhouette einer Frau.
    Eine Elfin!, schoss es ihm durch den Kopf.
    Die Frau schwieg, er ebenso. Er hatte sich schon daran gewöhnt, dass viele Elfen kamen, um ihn zu begaffen. Sollten sie doch! Hauptsache, sie schlugen ihn nicht! Als die Frau ein Lachen ausstieß, zuckte er jedoch zusammen.
    »Wer … seid Ihr?«
    Er brachte die Worte nur mit Mühe über die Lippen, denn es war lange her, dass er mit jemandem gesprochen hatte.
    »Armer Jok«, sagte die Frau.
    »Lia? Bist … bist du das wirklich?«, presste er heraus. Er traute seinen Ohren nicht.
    »Lia? Nun gut, du magst mich bei diesem Namen nennen«, erwiderte sie und trat aus dem Schatten ins Mondlicht.
    Sie war genauso schön wie damals im Garten, an jenem verhängnisvollen Tag, als der Elfenprinz getötet worden war. Die rotblonden Haare, die blauen Augen, das Gesicht mit den hohen Wangen, die vollen Lippen. Lia. Seine Lia.
    »Wie …?«
    Wie konnte die junge Frau so weit entfernt von zu Hause sein, wie konnte sie hier mitten im Land der Elfen vor ihm stehen?
    »Die Diener des Herrn können noch ganz andere Dinge tun.«
    »Des Herrn? Ich bin unschuldig! Ich habe das nicht getan!«
    »Ich weiß«, sagte sie lächelnd.
    »Du weißt es? Warum hast du dann geschwiegen? Du musst es den Elfen doch sagen, du musst ihnen erklären …«
    »Dazu ist es zu spät. Die dunklen Elfen dürsten nach Rache. In einigen Monaten mag sie vielleicht die Frage beschäftigen, ob du tatsächlich der Schuldige bist. Aber dann wirst du schon nicht mehr leben. Die Elfen haben beschlossen, ihre jahrhundertealten Gesetze zu brechen. Morgen wartet das Grüne Blatt auf dich.«
    Jok zappelte an der Schnur, schaukelte wie ein Pendel hin und her und schluchzte entsetzt. Er wollte nicht sterben – nicht auf diese Weise.
    »Doch noch kannst du wählen, dummer Jok.« Lia trat dicht an ihn heran. Sie verströmte einen Geruch nach Erdbeeren. »Entweder die Elfen töten dich, oder …«
    »Oder?«, fragte Jok.
    »… oder du wirst ein treuer Diener des Herrn.«
    Lia sprach lange, sehr lange. Als sie endete, sagte Jok nur ein Wort: »Ja.«
    In seinen Augen loderte Hass auf.
    Lia zog einen elfischen Krummdolch aus den Falten ihres Kleides hervor, stellte sich auf die Zehenspitzen und schnitt ihm die Kehle durch. Ein Sturzbach heißen Blutes ergoss sich auf ihre Haare, ihr Gesicht, ihren Hals und das Kleid. Reglos stand sie da und empfing diese schreckliche Taufe aus blutigem Tau. Sie stand da und lächelte. Als alles vorüber war, betrachtete sie den toten Körper und sagte: »Du wirst neu geboren, erstehst im Haus der Liebe auf und wirst der erste, der treueste Diener!«
    Binnen einer Minute war auf der Waldlichtung niemand mehr, nur der Tote baumelte sanft am Seil.
    »Hast du heute Nacht wieder schlecht geschlafen?«,

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