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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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ist eine Sache, wenn wildfremde Leute glauben, man hätte etwas getan, das man nie tun würde. Sie kennen einen ja nicht. Aber wenn es jemand ist, der einen kennen sollte? Von dem man geglaubt hat, er täte es?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Yeah, von der Sorte hab ich auch einiges erlebt. Jedes Mal, wenn ich in der Schule irgendwas falsch gemacht hatte, haben sie mich zur Schulpsychologin geschickt, und die hat mir dann eine Predigt über die Versuchungen der Straße gehalten und wie wichtig es ist, die Schule zu Ende zu machen. Und ich denke, hallo, Entschuldigung? Habt ihr irgendeinen Grund zu glauben, dass ich jemals in einer Gang war oder auch nur in der Nähe von einer? Oder dass ich nicht wüsste, wie wichtig ein Schulabschluss ist? Ich bekomme überall Zweier und hab noch nie geschwänzt, die Predigt könnt ihr jemand anderem halten.«
    Sie drückte sich das Kissen gegen die Brust. »Ich sage mir immer, das ist schon okay, die kennen mich ja nicht. Aber den gleichen Mist kriege ich eben auch von meiner Mom zu hören. Jedes Mal, wenn das Thema zur Sprache kommt, erinnert sie mich an meine Freundin Trina. Mit vierzehn von zu Hause weggelaufen, hat sich mit einer Gang eingelassen, ist bei einer Schießerei umgekommen. Hallo? Und was hat das mit mir zu tun? Es gibt da schon einen Grund, warum Trina und ich am Ende nicht mehr befreundet waren. Ich bin nämlich nicht so.«
    »Sie meinen es gut, nehme ich an. Aber es tut trotzdem weh.«
    »Das Schlimmste daran …« Ihr Blick hob sich bis zu einem Punkt über meinem Kopf. »Was willst denn du?«
    Derek kam um das Sofa herum, bis er vor mir stand, und tippte auf seine Armbanduhr. »Hab ich fünf Minuten gesagt?«
    »Ja, hast du. Und ich hab gesagt, dass das keine gute Idee ist.«
    »Wir müssen mit dir reden.«
    Rae machte Anstalten aufzustehen. »Soll ich die Schwestern holen?«
    Ich winkte ab und wandte mich wieder an Derek. »Nein.«
    Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans, verlagerte das Gewicht nach hinten auf die Fersen und sagte schließlich: »Simon will mit dir reden.«
    »Hat Simon Füße?«, erkundigte sich Rae. »Einen Mund? Was bist du? Sein treuer Bernhardiner, der durch die Gegend tappt und für sein Herrchen Nachrichten austrägt?«
    Er drehte sich so, dass er Rae den Rücken zuwandte. »Chloe?« Seine Stimme hatte einen bittenden Ton, bei dem meine Entschlossenheit ins Wanken geriet. »Chloe, b…« Er formte das B mit den Lippen, ich konnte es sehen, und eine Sekunde lang glaubte ich, er würde doch allen Ernstes
bitte
sagen. Hätte er es getan, dann hätte ich nachgegeben, trotz meiner Bedenken darüber, mit ihm zusammen gesehen zu werden. Aber eine Sekunde später schluckte er das Wort hinunter und stelzte zur Tür.
    »Wiedersehen!«, rief Rae hinter ihm her. »Immer wieder ein Vergnügen, mit dir zu reden!« Sie wandte sich an mich. »Du
wirst
mir doch erzählen, was hier eigentlich los ist, oder?«
    »Versprochen. Okay, und wie war es beim Schwimmen?«
    »War nicht so übel. Es war nett, mal rauszukommen, aber das war’s auch schon. Simon ist seine Bahnen geschwommen, ich kann mit Ach und Krach paddeln. Jeder hat also sein eigenes Ding gemacht. Nichts Neues. Aber sie haben eine coole Rutsche dort, und …«
    Sie sah wieder an mir vorbei und nickte jemandem zu.
    »Hey«, sagte Simon.
    Er setzte sich auf eine Armlehne des Zweiersofas. Ich versuchte, Platz zu machen, aber Rae saß ebenfalls auf dem Sofa, und so kam ich nicht weit. Seine Hüfte streifte meine Schulter.
    »Ich …«, begann ich.
    »Will nicht in den Garten gehen«, ergänzte er. »Kein Problem. Wir können uns hier drin vor Derek verstecken, mal sehen, wie lang er braucht, um uns aufzutreiben.«
    »Ich lasse euch …«, begann Rae, während sie sich vom Sofa hochstemmte.
    »Nein, bleib doch«, sagte Simon. »Ich hab hier nicht unterbrechen wollen.«
    »Hast du auch nicht. Aber ich bin sowieso mit der Hausarbeit dran, ich fange lieber mal an.«
    Als sie verschwunden war, rückte ich zur Seite. Simon rutschte neben mir auf die Sitzfläche hinunter. Ich ließ ihm jede Menge Platz, aber er blieb dicht neben mir sitzen, nicht so, dass wir uns berührten, aber beinahe. Ich sah auf die Lücke zwischen uns hinunter, knapp zwei Zentimeter Sofa, starrte auf sie hinunter, weil ich nicht recht wusste, was ich sonst tun oder sagen sollte.
    Das Grauen in dem Kriechkeller steckte noch tief in mir, abgedämpft von Schock und Verwirrung und dem Stress wegen meiner Auseinandersetzungen

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