Schattentänzer
Buch zu finden. Sie schwärmten aus und suchten die schattigen Ecken und Gassen ab. Aha.
Beutler ging unter mir vorbei und massierte sich den Arm. Er machte eine knurrige Bemerkung über die Kälte. Dann verstand ich ihn besser. »Ich begreif es nicht. In einer Sekunde ist er direkt neben mir, und dann ist er futsch. Er ist doch kein Gespenst. Wie konnte er so schnell verschwinden?«
Wer? Das war leicht zu erraten.
Was für eine Bande!
Ich hatte es schon eine Weile vermutet. Die Männer vom Oberboß tun einem normalerweise nicht viele Gefallen. Ich hatte versucht, dieses Wissen zu unterdrücken, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Aber jetzt war es direkt vor meiner Nase. Kain hatte etwas Besonderes mit einem Kerl namens Garrett vor. Vielleicht ein tolles Diner, ein kleiner Sprung in den Pool mit den heißkalten Blondinen. Vielleicht. Vielleicht aber auch ein gemütliches Plauderstündchen, wie er es in der Kutsche erwähnt hatte. Ich war nicht scharf darauf, es herauszufinden. Es gibt nicht viele Überlebende solcher trauter Gespräche mit Kain Kontamin.
Einer von Beutlers Handlangern kam an und murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte. Beutler fluchte und knurrte. »Sucht weiter!« Dann tat er etwas Seltsames, jedenfalls für ihn. Er hockte sich auf die Stufen des Gebäudes, das sie eben überfallen hatten, rieb eine Minute seinen Arm, stützte dann das Kinn auf die gesunde Faust und verfiel ins Grübeln. Wäre er nicht Beutler von der Beutler-und-Sattler-Foltertruppe gewesen, hätte ich behauptet, der Mann kämpfe mit seinem Gewissen.
Er blieb so, bis seine Jungs alle aufgegeben hatten und verschwunden waren. Natürlich rührte ich mich nicht von der Stelle. Mein Hintern war sowieso erfroren. Schließlich hatte er die ganze Zeit in der eiskalten Brise aushalten müssen. Ich war absolut nicht in Form, Beutler davonzulaufen oder ihn zu besiegen. Wahrscheinlich hätte ich sogar gegen jede beliebige Großmutter den kürzeren gezogen. Versuchen wollte ich es nicht, und noch weniger war mir danach, Kain zu besuchen oder vielleicht die Attraktionen am Grund des Flusses zu betrachten. Frostbeulen haben auch ihre positiven Seiten.
Garrett ist hart und geduldig. Ich war sturer als Beutler. Dem reichte es schließlich, und er trollte sich. Ich pflückte meine steifen Knochen von der Veranda und machte mich ebenfalls auf den Weg. In die andere Richtung.
Junge, war ich froh, daß solche Leute nie auf die Idee kamen, aufzublicken.
31. Kapitel
Ich marschierte zügig durch die Pufferzone und fand genau das, was ich angenommen hatte: nichts. Null. Nada. Morpheus’ Laden war geschlossen und dunkel. Allmählich konnte man darüber nachdenken, ob man nicht eine Totenwache abhalten sollte.
Vorsichtig näherte ich mich meinem Haus. Beutler hatte vielleicht Wachen aufgestellt.
Hier stellte sich ein Problem, das eine gewisse Aufmerksamkeit verdiente. Ich war zu abhängig von meinem Heim. Wenn die Bösen mir irgendwann wirklich Ärger machen wollten, brauchten sie mich nur von meiner Basis abzuschneiden.
Aber im Augenblick schien niemand in der Nähe zu sein. Selbst mein unheimlich heimlicher Verfolger war nicht da. Angenehm zu wissen, daß er, wer es auch sein mochte, ab und zu Ruhe brauchte oder gar schlafen mußte.
Ich schlich zur Tür und klopfte. Dean öffnete. »Wieso dauert es so lange?« fuhr ich ihn gereizt an. Er warf mir als Antwort einen seiner giftigeren Blicke zu. Natürlich hatte er nicht lange gebraucht. Im Haus war es still. »Carla schon im Bett?«
»Ja. Ich leg mich jetzt auch hin.«
»Wo? Auf ihre Schwelle?«
»Auf die Couch.«
Er zahlte mir meine dumme Bemerkung nicht einmal heim. Auch gut. »Schlaf gut.« Ich trottete in die Höhle des Toten Mannes. »Jemand wach hier, alter Knochen?« Es würde ihm ähnlich sehen, mitten in diesem Tohuwabohu ein zweiwöchiges Nickerchen einzulegen.
Ja. Ich nehme an, du bist schon wieder frustriert.
»Es wird immer schlimmer.« Ich erstattete Bericht. »Irgendwelche Vorschläge?«
Geh schlafen. Die Folgerungen wirken beunruhigend, wenngleich die Informationen höchst dürftig sind. Ich muß sorgfältig darüber nachdenken.
»Schlafen? Das ist die beste Idee, die du seit Jahren hattest.«
Laß dich von der Enttäuschung nicht verbittern, Garrett. Wir alle leiden gelegentlich unter unproduktiven Tagen.
Er hatte leicht reden. Er hatte unproduktive Jahrhunderte überstanden. »Dein Talent, das Offensichtliche auszusprechen, ist
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